UFO ≠ IFO ?

Ungeklärte UFO-Sichtungen (UFOs) bilden die Grundlage zur Diskussion um die wahre Natur des Phänomens und entsprechender Hypothesen, wie Außerirdische (ETH), interdimensionale Wesen oder anomale atmosphärische oder Leucht-Phänomene. Die Annahme dazu lautet, dass UFOs das Signal im großen Rauschen der vielfältigen, identifizierten Objekte und herkömmlichen Phänomene (IFOs) sind und sich demzufolge qualitativ und in ihren Merkmalen ("Strangeness") von IFOs unterscheiden. Vertreter nicht-anomalistischer Hypothesen, wie die psychosoziale und kulturelle Hypothese oder der zusammengesetzten Reduktionstheorie, verfolgen den Ansatz, dass UFOs im Grunde nicht von IFOs zu unterscheiden sind, was sich zumindest in diversen statistischen Vergleichen verschiedener UFO-/IFO-Datensätze niederschlägt. UFOs seien demnach IFOs, die aufgrund besonderer Umstände in der Beobachtersituation und den vorliegenden (mangelnden) Informationen unidentifiziert bleiben. Aus der Praxis wissen wir, dass die Identifizierung einer Sichtung nicht immer nur das Resultat gründlicher und sachkundiger Recherche ist, sondern zumindest in einigen Fällen auch ein gewisses Maß an Zufall oder eine Portion Glück dazugehört, um einen Verursacher zu ermitteln.

Im nachfolgenden Beitrag liefert Ulrich Magin einige interessante und lesenswerte Betrachtungen zum Thema UFO/IFO. Auch wenn man hinsichtlich der Beurteilung ungeklärter Sichtungen uneins oder anderer Meinung ist, bleiben diverse psychologische Erkenntnisse, die jedoch auch nach eigener Erfahrung in Falldiskussionen häufig ignoriert oder schlicht bestritten werden. Es handelt sich bei diesem Beitrag um eine überarbeitete und erweiterte Version eines Artikels im Journal für UFO-Forschung Nr. 6-2021 der GEP. Wir danken an dieser Stelle der GEP für die Zustimmung zur Übernahme des Artikels und Ulrich Magin für die Überarbeitung und Bereitstellung für ufoinfo.de.

 

Ein paar Betrachtungen zum Thema UFO/IFO
Ulrich Magin

Ich kann nicht akzeptieren, daß Produkte des Bewußtseins die Grundlage eines Glaubens sein sollen.
Charles Fort, Da!, S. 372

Wahrscheinlich beruht ein großer Teil aller Aufregung auf falscher Wahrnehmung.
Charles Fort, Wilde Talente, S. 49

  • Am 12. November 2021 konnte ein Autofahrer ein großes, schwarzes Dreieck beobachten und filmen, das ihn weniger als 60 Meter entfernt lautlos überflog. Er hielt das UFO für größer als einen Lastwagen. Dank der Uhrzeit, des Beobachtungsortes – Kausen im Westerwald – und natürlich der bei der Begegnung entstandenen Filmaufnahmen konnte das UFO dieser nahen Begegnung der ersten Art als Boing 747 im Landeanflug auf den Köln-Bonner Flughafen identifiziert werden. Was aber, wenn wir nur den Augenzeugenbericht vorliegen hätten, ohne Film? Dann wäre das ein klassisches, fast möchte man sagen, BEST UFO.1
  • Am 5. März 1979 beobachtete der Linienpilot Eufronio García Monforte von seiner Piper PA-31 über den Kanaren eine graue Scheibe mit einem Durchmesser von 250 m in einer Entfernung von nur 4 Kilometern. Er konnte in dem Objekt deutlich Fenster erkennen. Uhrzeit und Richtung des Objekts zeigen, dass es sich um einen Raketenstart gehandelt hat, der noch von hunderten weiteren Beobachtern auf den Kanarischen Inseln gesehen wurde. Die Entfernung zum Objekt betrug – 812 Kilometer, es befand sich in 52 Kilometern Höhe.2
  • „Der ‚Unterseehund‘. Der marine-militärische Mitarbeiter der ‚Times‘ erzählt folgende interessante Geschichte: Ein englischer Kreuzer berichtete, daß ein Unterseeboot von ihm in den Grund geschossen worden sei, was auch für vollkommen zuverlässig betrachtet wurde, bis ein getöteter Seehund an die Küste getrieben wurde. Man machte dann die Entdeckung, daß man von dem Kreuzer aus die Nase des Seehundes für das Periskop des Unterseebootes gehalten und es auch beschossen hatte.“3

Fazit: Extreme Fehldeutungen und Falschbeschreibungen konventioneller Stimuli ereignen sich in vielen Bereichen des menschlichen Lebens. Anzunehmen, ein Augenzeuge habe sich nicht geirrt oder könne sich überhaupt nicht irren, nur weil er ein ausgebildeter Beobachter ist, ist demnach ziemlich naiv.

Die Frage, die sich stellt
Bei all der Diskussion, die sich gerade wieder um ETH windet: Wenn UFO-Forschung ergebnisoffen sein soll, darf niemand die Augen vor der Null-Hypothese verschließen: der Vorstellung, dass sich hinter den UFOs im engeren Sinne letztendlich auch nur IFOs verbergen, dass es sich bei den „echten UFOs“ auch nur um Verwechslungen handelt. Diese These sollte im diesem Diskussionsbeitrag sehr offensiv vertreten werden. Denn grundlegend geht es – weil ja eindeutige physikalische Belege fehlen – um die Frage: Darf und kann man sich auf das verlassen, was Augenzeugen erzählen?

Ich komme zu zwei voneinander unabhängigen Schlussfolgerungen:
1. Augenzeugenberichte können extrem von der messbaren, physikalischen Wirklichkeit abweichen. Solange wir nicht wissen, was ein echtes UFO ist, können wir Augenzeugenberichte nicht auf ihre Zuverlässigkeit einschätzen. Um ein „echtes UFO“ nachzuweisen, benötigen wir nicht Augenzeugenberichte, sondern physikalische Fakten.

2. UFOs und IFOs sind statistisch betrachtet identische Phänomene – es sind – wie man schon bei der Entstehen der Kategorien sehen kann – keine Wesenheiten der Natur, sondern des menschlichen Geistes (denn schließlich entscheidet der UFO-Forscher, was jeweils UFO ist und was IFO, das ist von der Natur nicht vorgegeben und im Einzelfall auch umstritten).

Warum sollten Zeugen IFOs erkennbar schildern – und UFOs nicht?
Wenn Augenzeugenberichte so unzuverlässig sind, wie behauptet wird – habe ich schon öfter gehört –, wieso kann man dann IFOs erkennen? Sie sind schließlich so beschrieben, dass der erfahrene UFO-Forscher heraushört, dass es sich nur um einen MHB, einen Sky-Tracker oder um einen Überflug von SpaceX gehandelt hat.

Wenn wir also wir IFOs erkennen können – heißt das nicht im Umkehrschluss, das Schilderungen von UFOs so präzise sind wie die von IFOs, dass also eine nicht konventionell deutbare Beschreibung auch auf ein nicht deutbares Objekt oder Ereignis hinweist?

Einige längst bekannte Tatsachen und die daraus resultierenden Folgerungen möchte ich hier zur Diskussion stellen.

1) Unser Raumschiff Mond
Viele Menschen haben schon den Mond betrachtet und für ein außerirdisches Raumschiff oder ein ungewöhnliches Naturphänomen gehalten. Man sollte nicht denken, dass ein so gut bekanntes und oft gesehenes und auch astronomisch fernes Objekt wie der Mond solche Erlebnisse auslöst, aber er tut es. Nicht nur bei Laien.

So beobachtete John A. Keel während seiner Untersuchung des Mottenmenschen in West Virginia gemeinsam mit der Lokalreporterin Mary Hyre bei Galipolis Ferry nahe Point Pleasant in der Nacht vom Samstag, den 1. April auf den 2. April 1967 „ein großes, leuchtendes Objekt“, das auf einem Berg in der Nähe landete. Ein fremdartiges Wesen ging davor auf und ab. „Nach einigen Minuten hob das Objekt langsam ab – und zu unser beiden Beschämung merkten wir, dass es bloß der Mond war.“4

Auch der spanische UFO-Enthusiast Juan Jose Benitez fiel auf den Mond herein, als er nach einer telepathischen Botschaft von Außerirdischen, die eine UFO-Landung angekündigten, im November 1974 in Orduña zwischen Burgos und Bilbao glaubte, er betrachte ein UFO: „Plötzlich beobachteten wir im Osten, mit eigenen Augen, ein Licht.“ Es hob sich und war – der Mond.5

Kürzlich wurde eine französische Studie veröffentlicht, die alleine aus dem Jahr 29 französische Berichte enthält, darunter Berichte von UFO-Landungen, bei denen es sich um Verwechslungen mit dem Mond handelte.6

Der Mond ist nicht nur für Berichte über Nahe Begegnungen ursächlich, er kann auch zu High-Strangeness-Episoden führen, bei denen Menschen das Gefühl haben, von einem Raumschiff verfolgt zu werden. Am 22. Februar 1977 verfolgte ein helles, großes UFO die Insassen eines PKW eine halbe Stunde lang von Villar del Arzobispo (Valencia) nach Chiva. Es stand still, wenn das Auto hielt, verfolgte den Wagen mit derselben Geschwindigkeit, mit der das Auto fuhr, schoss vor, wenn Kurven kamen und lauerte auf das verfolgte Auto, bis es die Verfolgung erneut aufnahm. Das UFO war, das ließ sich zeitlich und geografisch präzise dokumentierte, bloß die Mondsichel.7

Natürlich hat ein Bericht über ein gelandetes Licht mit fremden Wesen einen hohen Strangeness-Grad, die Verfolgung eines Autos mit planvollem Verhalten ebenfalls. Wäre der Auslöser solcher Berichte ein flüchtiger, später nicht mehr nachweisbarer Stimulus gewesen, wären das GOOD oder sogar BEST UFOS geworden.

Fazit: Selbst ein alltägliches Objekt in großer Entfernung kann in der Schilderung zum CE werden und einen äußerst hohen Strangeness-Grad aufweisen und ist damit potenziell anfällig, als GOOD- oder BEST-UFO klassifiziert zu werden.

2) Experten als Zeugen?
Charles Fort wusste es bereits 1919 in dem „Buch der Verdammten“, dass Menschen, die mit ihrer Umgebung vertraut sind, als Augenzeugen nicht immer taugen:
„Es ist sinnlos vorzubringen, daß die Bauern draußen auf den Feldern arbeiten, während die Wissenschaftler in Labore und Vortragssäle gesperrt sind. Wir können nicht die Tatsache zugrundelegen, daß Bauern bei Phänomenen, mit denen sie vertraut sind, eher recht haben dürften als Wissenschaftler, denn dann werden sich sofort die biologischen und meteorologischen Irrtümer der Bauern wie eine Armee gegen uns erheben.“8

Manche Beobachtungen kommen allerdings von besonders ausgebildetem Personal – Piloten, Kapitänen, Militärs. Das reduziere die Möglichkeit, dass sie etwas ganz Alltägliches beobachtet haben – so heißt es.

Tatsächlich irren und deuten Experten genauso fehl wie Durchschnittsbürger, selbst wenn sie ausgebildete Beobachter sind. Denn auch sie nehmen ganz gewöhnliche Ereignisse in gröbster verzerrter Form wahr – nicht nur, wenn es um eine Verwechslung eines gewöhnlichen Stimulus mit einem UFO geht. Wahrnehmungsfehler kommen überall dort vor, wo es auf Expertise ankommt. Ein gutes Beispiel sind militärische Beobachter.

So rief zum Beispiel mitten im Gefecht im Ersten Weltkrieg ein deutscher Offizier in den Alpen, er sehe die Geister der Verstorbenen im Himmel kämpfen, feuerte eine rot-grüne Leuchtrakete ab und löste damit stundenlanges Artilleriefeuer aus.9 Am 22. Oktober 1904 „erblickten … Hunderte von russischen Marineoffizieren und Mannschaften in der Nähe der Doggerbank japanische Unterseeboote und beschossen sie mit verhängnisvollen Folgen: es waren einfache Fischerboote aus Hull.“10

Am 13. Oktober 1776 beschoss ein Schiff der britischen Kriegsflotte auf dem Lake Champlain ein amerikanisches Schiff – bis der Kapitän Carleton merkte, dass es sich nicht um ein Schiff, sondern um eine Insel handelte.11

Eines Nachmittags im September 1914 eröffnete der Kreuzer „Falmouth“ im britischen Kriegshafen Scapa Flow das Feuer. Man habe, meldete das Schiff, ein deutsches U-Boot versenkt, das in den Hafen eingedrungen war. Die Meldung führte zu einer Kettenreaktion – zahlreiche Kriegsschiffe sichteten weitere U-Boote und beschossen sie stundenlang. Es war an diesem Tag kein einziges U-Boot im Hafen.12

Eine ähnliche Lage hatten wir in Deutschland beim „Beschuss“ von Cuxhaven, wo Bundeswehrsoldaten einen ganzen Tag lang Anflüge und Bombenabwürfe meldeten, wo es keine gab13 und natürlich bei den vielen Fällen jedes Jahr, bei denen Jäger Jogger oder Fahrradfahrer erschießen, weil sie sie für Rehe oder Wildschweine hielten.14

Diese Auflistung ließe sich mühelos verlängern:
Auf den Kanarischen Inseln schilderte ein Augenzeuge ein am 20. Mai 1978 gelandete Scheibe mit einem Durchmesser von 100 Metern – andere sahen es auch, es war der Planet Jupiter.15 Ein weiterer Beobachter meldete ein Ufo mit mehreren Humanoiden, die durch ein Kabel mit dem Mutterschiff verbunden waren – es handelte sich um die Venus!16

Ausgebildete Astronomen sahen Anomalien auf dem Mars, die es gar nicht gibt.17 Ein Astronom meldete eine Nova, die sich als Saturn herausstellte,18 eine angekündigte Sprengung wurde von vielen Menschen beobachtet, obwohl sie nicht durchgeführt werden konnte,19 militärische Beobachter in Cherbourg hielten einen Planeten für ein feindliches Flugzeug,20 ein ausgebildeter Biologe schätzt aus 4 Metern Entfernung einen Gorilla auf 3 m Größe, obwohl er nur 1,50 m groß war, ein anderer Gorilla, von Zoologen aus nächster Entfernung auf 1,90 m Größe geschätzt, war bloß 1,65 m groß,21 eine Untertasse bei einer nahen Begegnung ausführlich als große metallene Scheibe geschildert, war ein mit Heißluft befüllter Plastiksack einer Wäscherei,22 eine Mannschaft eines Fischkutters sieht in der Ostsee eine 8 m lange Schildkröte, die doch, als sie gefangen wird, nur 2,15 m misst.23

Das könnte endlos so weiter gehen – aus nächster Nähe gemachte, ungewöhnliche Sichtungen stellen sich, selbst wenn die Beobachter eigens ausgebildet sind – Biologen, Astronomen, Militärs – als grob verzerrt heraus.24

All das ist nicht neu: Selbst Pro-UFO-Forscher haben erkannt, dass ausschließlich auf Augenzeugenberichten basierende Thesen an der Realität scheitern – unter anderem ebenfalls durch die Betrachtung solcher Jagdunfälle.25 Schließlich haben auch gut ausgebildete Beobachter Einhörner und Seehelden wie Hudson und Columbus Seejungfrauen gesehen – und die Existenz von Hexen und Hexensabbaten war Jahrhunderte lang empirisch belegt – durch Zeugenaussagen!

Fazit: Die Tatsache, dass ein ausgebildeter Experte etwas Fremdartiges erzählt, beweist nicht immer, dass auch etwas Fremdartiges zu sehen war. Auch der Augenzeugenbericht eines ausgebildeten Beobachters kann etwas ganz Gewöhnliches extrem verzerrt schildern.

3) Wissenschaftliche Feststellungen
Die Psychologin Elizabeth Loftus hat bei zahlreichen, oft replizierten Experimenten nachweisen können, dass Augenzeugen an und für sich schlecht beobachten und dass sie die Erinnerung an ein Ereignis bei jedem neuen Aufruf, durch mittlerweile erworbenes Wissen und durch die Art und Weise, wie ein Interviewer Fragen stellt, stetig verändert und von Tag zu Tag unzuverlässiger wird.26

Ein Einwand, den ich gehört habe, betrifft die Intensität des Erlebnisses: Bei psychologischen Test befindet man sich in einem Labor oder schaut eher unbeteiligt einen Film, bei der Begegnung mit einem UFO ist man unmittelbarer und zur Gänze betroffen und involviert – also muss auch die Erinnerung intensiver, die Verfälschung beim Erinnern geringer sein.

Aber stimmt das? Augenzeugen, die den Untergang der „Titanic“ überlebten, also Menschen, die sicher noch intensiver ins Geschehen involviert waren als das bei den meisten UFO-Zeugen der Fall ist, widersprachen sich praktisch immer gegenseitig und auch den später ermittelten Fakten, sie wollten Dinge gesehen haben, die nie stattfanden und erinnerten sich lebhaft an Ereignisse, von denen sie nur gelesen haben konnten, weil sie von dem Rettungsboot aus, in dem sie sich befanden, nicht zu sehen waren.27

In der wissenschaftlichen Diskussion um die Rolle von Augenzeugenberichten wird jüngst öfter betont, diese seien nicht so unzuverlässig wie ihr Ruf. Amerikanische Bigfoot-Forscher zitierten in einer vor kurzem erschienenen Ausgabe der „Zeitschrift für Anomalistik“ die Arbeiten des Psychologen John Wixted von der University California, San Diego, der durch Untersuchungen herausfand, dass Augenzeugenberichte generell mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Ich fragte Wixted, ob man aus seinen Forschungen ableiten könne, dass – weil Zeugen nachprüfbare Objekte glaubhaft schilderten –, dass auch Bigfoot real sei, weil er ja von Augenzeugen präzise geschildert werde.

John Wixted war freundlich genug, mir auf meine Frage zu antworten: „Hmm. Das ist eine interessante Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob man das so extrapolieren kann, da man in der Augenzeugen-Gedächtnisforschung weiß, dass das entsprechende Ereignis stattgefunden hat. Das heißt, die Polizei weiß, dass ein Verbrechen begangen wurde, und wir können jetzt fragen, ob Augenzeugen beim Abrufen der Details korrekt sind (z. B. wenn das Ereignis auch auf Video aufgezeichnet wurde, kann die Genauigkeit des Erinnerung genau quantifiziert werden). Aber wenn es um Bigfoot geht, wissen wir nicht genau, ob überhaupt ein Ereignis stattgefunden hat. Daher ist es wahrscheinlich nicht sicher, aufgrund von Augenzeugengedächtnisuntersuchungen zu schließen, dass Erinnerungen an Bigfoot vermutlich korrekt sind.“28

Das bedeutet: Wir können die Korrektheit eines Augenzeugenberichts nur überprüfen, wenn wir wissen, was er schildert. Erzählt er von etwas Unidentifiziertem – Nessie, einem UFO, einem Bigfoot – entfällt diese Eichung du Überprüfung des Augenzeugen.

Wir können, wenn er uns von einem UFO erzählt, nicht sagen, ob er korrekt erzählt, weil wir im Gegensatz zur Schilderung eines IFOs seine Angaben nicht kalibrieren können. Die Schlussfolgerung: Weil Augenzeugen normalerweise korrekt berichten, kann man das unidentifizierte UFO im Augenzeugenbericht als reales, nicht zu identifizierendes Objekt betrachten –, ist also ein logischer Fehlschluss.

Wir wissen, dass es sich um ein IFO gehandelt hat, weil in diesem Falle die Schilderung des Zeugen ausreichend für eine solche Deutung war und mit den aus unabhängigen Quellen erhobenen Daten abgeglichen werden kann. Ist sie das nicht, können wir nicht automatisch schlussfolgern, dass die Erzählung korrekt war. Es ist logischer anzunehmen, weil man dafür ausreichend Belege hat, dass ein unidentifiziertes Objekt aus einem UFO-Bericht ein IFO war, das nur verzerrt wahrgenommen und/oder geschildert wurde.

Fazit: Wird etwas Unerklärliches geschildert, kann das einfach nur bedeuten, dass jemand einen alltäglichen Stimulus verzerrt wahrgenommen oder geschildert hat. Es bedeutet nicht, dass ein Augenzeugenbericht als glaubwürdig eingeschätzt werden kann, nur weil Augenzeugen bekannte Objekte genau schildern. Wir könnten genauso gut schlussfolgern: Immer dann, wenn etwas Unidentifiziertes geschildert wurde, handelt sich um eine verzerrte Wahrnehmung und/oder Erzählung.

4) Der UFO-IFO-Vergleich
Eine Möglichkeit, um herauszufinden, ob es sich bei GOOD-UFOs nur um nicht erkannte IFOs handelt, wäre ein statistischer Vergleich zwischen UFO- und IFO-Daten. Das klingt naheliegend, wurde meines Wissens aber bisher aber nur ein wenige Mal unternommen.

Hynek zitiert eine Untersuchung des amerikanischen Batelle-Instituts im Auftrag der Air Force, die zu dem Schluss kam, die „Wahrscheinlichkeit, daß ‚unidentifiziere‘ dasselbe sind wie ‚identifizierte‘ […] weniger als 1%“ betrage.29

Das ist jedoch die einzige Studie, die so schlussfolgerte. Die italienische Gruppe CISU fand 1987, dass ihre Daten keinen Unterschied zwischen UFOs und IFOs aufwiesen30, dasselbe wurde von Paolo Toselli bestätigt: Bei der Analyse beider Datensätze „hat sich gezeigt, dass Ufos und IFOs identisch sind.“31 Auch bei einer spanischen Analyse waren sämtliche Eckdaten bei UFO- und IFO-Fällen statistisch identisch.32

Auch der spanische UFO-Forscher Vicente-Juan Ballester Olmos hat seine Ufo-Daten mit seinen IFO-Daten verglichen. Und auch er stellte fest, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen den iberischen IFO- und den UFO-Fällen gab – beide Datensätze waren, statistisch betrachtet, nicht zu unterscheiden, weder in Bezug auf die jährliche Verteilung noch dahingehend, dass in beiden Datensätzen Landungen bevorzugt im August stattfaden, sowohl UFOs wie IFOs wiesen eine identische Verteilung nach Stunden des Tages auf, ebenso, was die geografische Verteilung anging. „Auch die Arbeiten von Monnerie, Hendry und Tosselli“, so Ballester Olmos, „zeigen, dass beide Klassen von Datensätzen nicht unterschieden werden können.“33

Im November 2020 bat ich Ballester Olmos um seine heutige Haltung zu dieser Analyse. Er schrieb mir:
„Ja, viele Arbeiten zeigen, dass man UFOs von IFOs nicht unterscheiden kann, beide gehören zum selben Universum: falsch interpretierte Sichtungen alltäglicher, ganz und gar gewöhnlicher, unspektakulärer Beobachtungen. Aufgrund dieses Chaos haben wir über 50 Jahre lang unser Ziel, Hinweise, Muster und Gesetze in UFO-Daten zu finden, nicht erreicht. Die einzigen Muster deuten auf soziale oder astronomische Dynamik hin. UFO als Außerirdische kann als Erklärung nicht mehr verteidigt werden, weder bei der Darstellung von Einzelfällen noch bei der globalen Analyse.“34

Zu derselben Schlussfolgerung kamen zwei weitere, spätere Studien.35 Ob das extrem seltene und größtmöglich heterogene Material der wenigen deutschen GOOD-UFO-Meldungen die Frage beantwortet, ist eine andere Frage.

Fazit: Die Frage, warum die UFO-Forschung seit 74 Jahren keine Fortschritte macht, lässt sich – so denke ich – ziemlich leicht beantworten, weil die Frage längst beantwortet ist. 95% oder mehr aller Beobachtungen sind als IFOs identifizierbar, weil sie korrekt geschildert sind. Beim Rest spricht jede wissenschaftliche Erkenntnis zum Wahrnehmungs- und Erinnerungsprozess dafür, dass es sich bloß um grob verzerrte Wahrnehmungen oder Schilderungen handelt – sie sind nicht die Perle im Heuhaufen, sie sind das Stroh unter den Perlen. Seit 75 Jahren widmen UFO-Forscher ihre Aufmerksamkeit nicht den präzisen Sichtungen, sondern gerade denen, die nicht genau oder falsch geschildert sind – und sie sehen in diesen Fehlleistungen die eigentliche Wahrheit.

Selbst wenn man diese pessimistische Ansicht nicht teilen kann: Es ist auf jeden Fall unnütz, eine Beweisführung auf Augenzeugenberichten zu begründen. Sie taugen nichts als Beweis für eine unbekannte Realität.

Natürlich ist es dennoch möglich, dass es ein genuines „UFO an sich“ gibt. Doch Belege dafür können und müssen naturwissenschaftlicher Natur sein (Landespuren, Fotos, Fragmente), sie können niemals anekdotischer Natur sein.

Der Sprung in den Glauben
So negativ, wie sie sich anhört, ist die Tatsache, dass Zeugenberichte kein Phänomen belegen können, und zwar nie, gar nicht – und auch nicht neu. Schon J. Allen Hynek betonte in seinen Büchern, dass Augenzeugenberichte nicht dazu dienen können, ein physikalisches Phänomen zu belegen, und dass – solange keine anerkannten physikalischen Beweise vorliegen – der Realitätsstatus solcher Berichte der eines unbewiesenen Phänomens ist. „Ich gebe zu, daß es mir immer noch ein Rätsel ist, welches Niveau an Wirklichkeit diesen Vorfällen beigemessen werden soll, aber ich habe keinerlei Zweifel mehr daran, daß der Zeuge in diesem Fall und die in den nachfolgend geschilderten alle ehrlich glaubten, sie hätten ein wahres, greifbares Erlebnis gehabt.“36 Angesichts dieses fehlenden Rückkehrschlusses auf die Realität ist die Null-Hypothese zunächst einmal die Naheliegende, alles andere kann nur durch etwas anderes als Augenzeugenberichte belegt werden.

Hynek erklärte zudem, Forschung sei nur möglich durch einen bewussten, unwissenschaftlichen Glaubensakt – nämlich vom Augenzeugenbericht auf die Realität dahinter zu schließen, also in den Glauben und aus dem Wissen herauszugehen. In The UFO Experience sprach er davon, dass eine Analyse der physischen Eigenschaften von UFOs nur möglich werde durch eine „Wette auf die Echtheit“, den Sprung in den Glauben, dass Augenzeugenberichte die Wirklichkeit wahrhaft wiederspiegeln.37 Hynek schreibt diese „Wette“ dem Philosophen David Hume zu, tatsächlich stammt das Gedankenmodell von Blaise Pascal: „Die pascalsche (oder Pascal’sche) Wette ist Blaise Pascals berühmtes Argument für den Glauben an Gott. Pascal argumentiert, es sei stets eine bessere ‚Wette‘, an Gott zu glauben, weil der Erwartungswert des Gewinns, der durch Glauben an einen Gott erreicht werden könne, stets größer sei als der Erwartungswert im Fall des Unglaubens.“ (Wikipedia) Anders gesagt: Auch nach Hynek ist der Glaube daran, dass ein Augenzeugenbericht die physikalische Wirklichkeit schildert, ein bewusster Akt des Glauben-Wollens.

 

Verweise
1 JUFOF 259, 1-2022, S. 4–5
2 Ricardo Campo Pérez: El fenomeno OVNI en Canarias desde el siglo XVIII hasta 1980. Le Canarien 2020, S. 625
3 Volksfreund: Tageszeitung für das werktätige Volk Badens, 5. November 1914, S. 4
4 Keel, John A.: The Mothmen Prophecies. New American Library 1976, S. 113
5 Benitez, Juan Jose: 100.000 Kilometros Tras Los Ovnis. Barcelona: Plaza & Janes 1987, S. 24
6 Maillot, E.; Munsch, G.; Danizel, L.; Dumas, I..; Fournel, P.; Robé, R.; Zwygart, C. & Abrassart, J.-M. (2020). Mistaking the Moon for an Alien Spacecraft: The “Saros Operation”. Anomaly – Journal of Research into the Paranormal, 50, 8–17.
7 Borraz Aymerich, Manuel: Analisis de una experiecia ovni 2. Cuadernos de Ufología nr. 3, September 1988, S. 16–24
8 Fort, Charles: Das Buch der Verdammten. Zweitausendeins 1995, S. 128
9 Henning, Richard: Wo lag das Paradies? Berlin: Druckhaus Tempelhof 1950, S. 146
10 Henning, S. 263
11 Zazynski, Joe: Monster Wrecks of Loch Ness and Lake Champlain. Wilton, NY: M-Z Information 1986, S. 85
12 Gould, Rupert T. : Oddites. London: G. Bles, 1944, S. 135
13 Magin, Ulrich: Ausflüge in die Anderswelt. Krummwisch: Königsfurt 2000, S. 291–294; Schomacker, Sascha: Das Knechtsand-Rätsel. Ein historischer Fall in der Diskussion. Journal für Ufo-Forschung, Heft 153, 3/2004, S. 75–78
14 Magin, U.: Zuverlässigkeit von Augenzeugenberichten. ufoinfo.de, https://www.ufoinfo.de/index.php/aktuelles/weblog/463-zuverlaessigkeit-augenzeugen-bigfoot, 2020
15 Campo Pérez: El fenomeno OVNI en Canarias, S. 570
16 Canarias, S. 608
17 Charles Fort: New Lands. New York: Ace 1973, S. 32
18 New Lands, S. 31
19 New Lands, S. 35
20 Jufof 4/2018
21 Bourne, Geoffrey: Die sanften Riesen. München: Kindler: 1977, S. 136, 149–150
22 Salisbury, Frank: The Utah UFO Display: A Scientist Brings Reason and Logic to Over 400 UFO Sightings in Utah’s Uintah Basin. Springville, Utah: Bonneville 2010, S. 178
23 Jahrbuch für Kryptozoologie 2021, S. 109
24 Vgl. zusätzlich Fortean Times 411, S. 33, Canarias, S. 357, Salisbury, S. 64, Gavin Maxwell, S. 59
25 Salisbury, S. 182
26 Die Ergebnisse dieser jahrelangen Forschung werden populär beschrieben in: Loftus, Elisabeth und Ketchan, Katherine: Die therapierte Erinnerung. Bergisch Gladbach: Lübbe 1997 sowie in Schacter, Daniel L.: Aussetzer. Bergisch Gladbach: Lübbe 2007
27 Walter Lord: Die Titanic-Katastrophe. München: Heyne 1977, S. 114–115, 194
28 E-Mail von John Wixted, 20. Juli 2020. Im Original: „Hmm. That's an interesting question. I'm not sure you can extrapolate because, in eyewitness memory research, the events in question are known to have occurred. That is, the police know that a crime was committed, and we can now ask whether eyewitnesses are accurate in their recall of the details (e.g., if the event also happened to be captured on video, accuracy of recall can be precisely quantified). But when it comes to Bigfoot, we don't really know for sure that an event happened in the first place. Thus, it is probably not safe to conclude based on eyewitness memory research that recollections of Bigfoot are likely to be accurate.“
29 Hynek, J. Allen: UFO-Report. München: Goldmann 1978, S. 193
30 CENAP-Report 137, 7/1987, S. 25
31 Agostinelli, Alejandro: Entrevista a Paolo Toselli. Cuadernos de Ufologia, 2° epoca, Nr. 4, 1988, S, 25–33.
32 CENAP-Report 150, S. 28. Auch eine Untersuchung des französischen Ufo-Forschers Denys Breysse in den 1980er-Jahren fand heraus, dass sich UFO-Daten statistisch nicht von IFO-Daten unterscheiden lassen.
33 Ballester Olmos, Vicente-Juan und Peris, José Antonio Fernández: Enciclopedia de los encuentros cercanos con OVNIS. Barcelona: Plaza y Janes 1987, S. 340–354 und 372–373, Zitat S. 273
34 Olmos, 10.11.2020. Im Original. „Yes lots of work shows that you cannot distinguish UFOs from IFOs, both belong to the same universe, misinterpreted sightings of mundane, unprovocative, unsingular observations. Because of that chaos, we failed during over 50 years in our target of finding clues, patterns and laws in UFO data. The only patterns suggest social or astronomical dynamics. UFO as aliens is a undefensible concept, neither in the presentation of single cases nor in the global analysis.“
35 Delaval, Marcel et al. UFO/IFO Comparison – The Year 1977 in France. Turin: UPIAR 1990, 52 Seiten und Delaval, Marcel et al. Confronto UFO/IFO Italia/Francia. Turin: UPIAR, 1993, 44 Seiten
36 Hynek: UFO-Report, S. 130
37 Hynek, J. Allen: The UFO Experience. London: Corgi 1974, S. 42, 267

 

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