Eher Hanebüch als Haunebu
Letzte Woche gab es einige Aufregung in den Medien, nachdem ein Modelbausatz des Herstellers Revell für einiges Aufsehen sorgte (s. Abb.). Konkret war dies ein Bausatz einer "Flying Saucer Haunebu II" im Maßstab 1:72, der lt. Revell ein detailgetreuer Nachbau eines Nazi-UFOs sein sollte, besser bekannt unter der Bezeichnung "Reichsflugscheibe". Ein insbesondere in rechtsextremen (UFO-)Kreisen gerne kolportierter Mythos und Bestandteil diverser Verschwörungstheorien. Stein des Anstoßes war dabei der erweckte Eindruck, es handele sich um ein historisch tatsächlich existentes Kriegsgerät der Nazis. Untermauert wurde das mit dem auf dem Karton abgedruckten Begleittext: "1934 begannen die Arbeiten an den Rundflugzeugen. Ihr Antrieb und die Neutralisierung der Fliehkräfte im Innenraum erfolgten über Vril-Energiefelder. Flugfähige Exemplare der bis zu 6.000 km/h schnellen Haunebu II starteten Mitte 1943, kamen aber kriegsbedingt nicht über die Erprobungsphase hinaus." Es handele sich um das "erste weltraumfähige Objekt der Welt". Dank beigefügter Abziehbilder liese sich das Modell "originalgetreu" dekorieren.
Nur leider ist weder an dem Objekt noch der abgedruckten Beschreibung irgendetwas "originalgetreu". Entsprechend äußerte sich der Historiker Jens Wehner vom Militärhistotischen Museum in Dresden, der gegenüber NDR Info bestätigte, dass es diese angebliche "Wunderwaffe" nie gab und die dazu aufgestellten Behautpungen objektiv falsch seien. Die beschreibenen technischen Eigenschaften seien schlicht Unsinn und liesen sich aus wissenschaftlicher Sicht nicht bestätigen. Ebenso belegen historische Forschungen zu dieser Zeit, dass nie an einem solchen Objekt gearbeitet wurde. Somit wird hier wird der Eindruck einer historischen Wahrheit geweckt, die es nie gab.
Problematisch ist zudem, dass durch diesen Bausatz und dessen Beschreibung den entsprechenden Verschwörungstheorien und Neonazi-Ufologen, bspw. um den mittlerweile verstorbenen Dr. Axel Stoll, die gerne behaupten, die Nazis hätten sich mit solchen Haunebus zum Ende des zweiten Weltkriegs nach "Neuschwabenland" abgesetzt, eine fiktive Ufobasis in der Antarktis, Vorschub geleistet wird. Indem ein renommierter Modellbau-Hersteller solche Nazi-Untertassen anbietet, können unbedarfte Käufer leicht der Meinung verfallen, dass ja dann doch an solchen diversen Theorien was dran sein muss. Nicht ohne Grund kritisierte focus.de daher auch die "Verfälschung der Geschichte und indirekte Verbreitung von esoterischen und rechtsextremen Verschwörungstheorien im Kinderzimmer". Parallel kritisierte auch der Kinderschutzbund das für Kinder ab 12 Jahren empfohlene Modell, da Politik und Weltanschauung nichts in einem Kinderzimmer zu suchen hätten.
Einhellig war somit auch die Forderung, den Artikel umgehend aus dem Programm zu nehmen. Revell reagierte umgehend, gab der Kritik recht und entschuldigte sich für die Verwirrungen, die der Verpackungstext ausgelöst hatte und distanzierte sich ausdrücklich von den in den Kritiken geäußerten Vorwürfen. Die Altersfreigabe ab 12 Jahren sei im Zusammenhang mit dem Schwierigkeitsgrad des Zusammenbaus zu sehen. In der Folge hat der Hersteller das Modell von der Webseite genommen und auch auf Amazon, wo der Bausatz ebenso erhältlich war, war er kurzzeitig nicht mehr verfügbar und noch laufende Bestellungen wurden offenbar storniert. Während Revell zuerst noch den Bausatz mit verändertem Text erneut anbieten wollte, soll der Verkauf lt. FAZ.NET komplett eingestellt und das Modell nicht weiter hergestellt werden. Natürlich will niemand Revell hier irgendeine Absicht unterstellen, es dürfte schlicht Gedankenlosigkeit gewesen sein, aber man hat hier schlicht nicht ausreichend recherchiert bzw. die möglichen Reaktionen bedacht. Hätte man das Ganze anders betitelt bzw. beschrieben, dann hätte man das vielleicht noch ins SciFi-Regal reinstellen und Revell das Fettnäpfchen so umfliegen können.
Nach Informationen von ufo-information.de laufen allerdings noch Amazon-Bestellungen aus dem ursprünglichen Angebot, denen zufolge eine Auslieferung noch angekündigt ist, allerdings mit einem geändertem Textaufdruck auf dem Karton. Inzwischen findet sich auf Amazon die betreffende Produktseite wieder, mit Angeboten von Privatverkäufern im dreistelligen Bereich. Auch auf ebay finden sich bereits Angebote des ursprünglichen Bausatzes, die ebenso mit deutlich höheren Geboten als der UVP über den Tisch gehen dürften. Das ist die andere Seite der Medaille, durch den Rückruf hat man so einen florierenden Spekulationsmarkt eröffnet. Abgesehen davon werden vergleichbare Bausätze im Ausland schon länger angeboten.
Aus Sicht der UFO-Szene lässt sich festhalten, dass die in den Medien teilweise dazu verbreiteten Hintergrundinformationen zum Thema Hanuebu und Reichsflugscheiben zutreffend waren und insgesamt auch das Wesentliche und Wichtigste dazu gesagt wurde, was bei dem Thema Ufos sonst leider nicht immer der Fall ist. Immerhin wurden die schon kurz nach Kriegsende aufkommenden Legenden zu solchen Nazi-Ufos auch frühzeitig in den Medien behandelt wie bspw. im Spiegel schon 1950. Dem kundigen Ufointeressierten fällt bei dem Haunebu-Objekt auch gleich die Ähnlichkeit zu den, schon lange als Fake entlarvten, so genannten "Scout Ships" der amerikanischen Kontaktlerszene um George Adamski der 1940er und 1950er Jahre auf (s. Abb.), von denen sich die geistigen Erfinder der Haunebus in den 1980er offenbar haben inspirieren lassen, zusammen mit dem aus einem britischen Roman stammenden Vril, das dort als eine fiktive Energie beschrieben wurde, worauf André Kramer von der GEP hinwies. Auch für die davor schon behaupteten "Reichsflugkreisel" als eher konventionelle Flugscheiben um deren angeblichen Erfindern Schriever und Habermohl gibt es keinerlei Belege und die Entstehung und Konstruktion des gesamten Mythos ist mittlerweile auch gut dokumentiert und nachvollziehbar. Oder wie es ein Rezensent auf Amazon auf den Punkt brachte: "Eher Hanebüch als Haunebu".
Update 11.07.2018
Nach unserem Kenntnisstand hat Amazon die zuletzt noch aufgelaufenen regulären Bestellungen zu dem Modell bearbeitet und die Modellbausätze mittlerweile weitgehend ausgeliefert. Die letzten Bestellungen wurden offensichtlich nicht storniert, sondern noch bedient, was allerdings auch Lagerbestände bei Amazon gewesen sein konnten. Darauf deutet hin, dass der kritisierte Text auf der Verpackung nicht geändert wurde und noch dem Original entspricht. Revell äußerte auf eine Anfrage hin, dass die Auslieferung des Artikels derzeit gestoppt ist. Nach einer Überarbeitung soll er jedoch wieder im Handel und online zu normalen Preisen erhältlich sein.
Siehe hierzu auch unsere Themenseite zum Thema Reichsflugscheiben
Quellen:
https://www.ndr.de/nachrichten/Fiktives-Nazi-Ufo-fuers-Kinderzimmer,revell100.html
https://www.focus.de/finanzen/news/verfaelschung-der-geschichte-modellbauhersteller-revell-in-der-kritik-fiktives-nazi-ufo-fuers-kinderzimmer_id_9112873.html
https://www.vice.com/de/article/bj3an3/modellbauhersteller-verkauft-nazi-ufos-und-behauptet-es-habe-sie-wirklich-gegeben
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/eklat-um-bausatz-revell-nimmt-nazi-ufo-aus-dem-verkauf-15646646.html
https://meedia.de/2018/06/19/modellbaufirma-revell-nimmt-nazi-ufo-haunebu-2-nach-massiver-kritik-aus-dem-programm/
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-44447768.html
Fotos: 1.: amazon.de, 2.: en.wikipedia.org