Hypothesen zum UFO/UAP-Phänomen

Während es einen weitgehenden Konsens in der UFO-Forschung darüber gibt, dass sich die Mehrzahl aller gemeldeten Sichtungen auf natürliche bzw. herkömmliche Ursachen zurückführen lässt, mit einem angegebenen Prozentsatz von meist über 90%, und dass es einen kleinen unidentifizierten Rest als Residualkategorie gibt, die französische GEIPAN gibt hierfür aktuell einen Prozentsatz von 3,3% an, gehen die Meinungen über die Natur des ungeklärten Rest weit auseinander.

So zahlreich wie die existierenden Gruppen und Forscher, so zahlreich sind die jeweils vertretenen Meinungen und Hypothesen zu den ungeklärten bzw. unidentifizierten UFOs/UAP. Dabei geht eine Mehrzahl der UFO-Forscher von der Existenz eines, wie auch immer gearteten Phänomens aus, zumal es unzweifelhaft ist, dass es immer wieder Menschen gibt, die Phänomene am Himmel sehen, welche sie sich persönlich nicht erklären können und es daraus auch auch ungeklärte Sichtungen, nach bereits durchgeführten Untersuchungen, gibt, die sich zumindest dem Anschein nach einer herkömmlichen Erklärung entziehen. In diesem Sinne ist die Existenz von UFOs bzw. eines UFO-Phänomens im Grunde unstreitig, ganz unabhängig von dessen Interpretation.

Die Ansichten über die Natur des Phänomens und die Beurteilung ungeklärter Sichtungen weichen stark voneinander ab, da das Phänomen sehr viele Facetten hat, sowohl eine (subjektbezogene) sozio-psychologische als auch eine (objektbezogene) naturwissenschaftliche. So gibt es kritische Untersucher, die lediglich von einem sozio-psychologischem bzw. wahrnehmungsbedingten Phänomen ausgehen. Zwar können auch diese Untersucher nicht alle Sichtungen erklären, sehen aber den geringen Prozentsatz (~ 5%) entweder als statistisches Rauschen oder gehen von einer prinzipiellen Unmöglichkeit aus, jedwede gemeldete Sichtung zuverlässig aufzuklären. Sei es aufgrund der Unzuverlässigkeit menschlicher Wahrnehmung und Erinnerung, situativ stärkerer Wahrnehmungsverzerrung, fehlender Informationen zum Sichtungsablauf oder mangelnder Kenntnis aller möglichen Erscheinungsweisen herkömmlicher Phänomene.

Andere Untersucher gehen von einer starken Indizienlage für eine neuartige (Luftraum-)Anomalie aus und betonen die physikalische Realität des Phänomens. Oft werden hier auch exotische Hypothesen favorisiert. Wieder Andere legen sich nicht fest oder halten mehrere Hypothesen bzw. eine Kombination für möglich. Daneben gibt es ufologische Strömungen, die von einer ständigen Präsenz und Einmischung außerirdischer Intelligenzen, oft gepaart mit Verschwörungstheorien bzgl. involvierter irdischer Regierungen, ausgehen. Dies geht bis hin zu esoterisch/religiösen Einstellungen..

Grundsätzlich lassen sich anomalistische und nicht-anomalistische Hypothesen unterscheiden. Zu den anomalistischen Ansätzen zählen:

  • Manifestationen (i.d.R. künstliche Flugkörper) einer außerirdischen Intelligenz bzw. fremder Wesen
  • Eigene, fortgeschrittene (Geheim-)Technologie 
  • Ein parapsychologisches Phänomen
  • Unbekanntes bzw. anomales atmosphärisches/physikalisches (Natur-)Phänomen

Als nicht-anomalistische Ansätze werden im Wesentlichen genannt:

  • Ein psycho-soziales bzw. kulturelles Phänomen
  • Kombination aus kognitiven Vorgänge, die zu außergewöhnlichen Wahrnehmungen führen

Die nachfolgende Grafik stellt die verschiedenen Hypothesen im Überblick dar.

 
 

Hypothesen, die den Einfluss fremder/übernatürlicher Wesen annehmen:

  • Extraterrestrische Hypothese (ETH): Die Hypothese über den Besuch von Außerirdischen, die die populärste und verbreitetste, aber auch umstrittenste, Hypothese ist, mit mehreren Ausprägungen: Seien es einfache Besuche, Entführungen, medizinische oder Gen-Experimente. Auch Tierverstümmelungen und Kornkreise werden gelegentlich damit in Verbindung gebracht. Begründet wird diese Hypothese mit einer physikalischen Realität des Phänomens und insbesondere anhand anomaler Merkmale, wie bspw. ungewöhnliche Flugmanöver, Wechselwirkungen mit der Umwelt oder instrumentelle Aufzeichnungen, die herkömmliche Erklärungen ausschließen sollen. Ebenso werden dazu Zeugenaussagen beruflich qualifizierter Augenzeugen angeführt, wie insbesondere Piloten, die ungewöhnliche Beschreibungen abgeben. Artikel zur ETH in der englischen Wikipedia.
  • Interdimensionale Hypothese (IDH): Die IDH besagt, dass UFO-Erfahrungen auf Manifestationen anderer (übergeordneter oder parallelen) Dimensionen beruhen, verursacht von höheren Wesen. Vertreter der IDH verweisen hierzu auch auf frühere, berichtete Phänomene in der Menschheitsgeschichte, die man als übernatürlichen Kreaturen bezeichnete. Die IDH kann auch spirituelle Varianten beinhalten und zeigt hier Ähnlichkeiten mit der parapsychologischen Hypothese. Varianten dieser Hypothese sind die (mehrdimensionale) Projektionstheorie und die Parallele-Universen-Theorie. Bekannte Vertreter der IDH sind die UFO-Forscher Jacques Vallée, der insbesondere auf ein koexistentes Paralleluniversum abhebt, und John Keel. Artikel zur IDH in der englischen Wikipedia.
  • Hohlwelttheorie: Eine Variante der Hohlwelttheorie geht von fortgeschrittenen Wesen einer versteckten Zivilisation aus, alternativ auch ehemalige Bewohner von Atlantis, die über geheime Öffnungen mit ihren Fluggeräten ein- und ausfliegen.
  • Parapsychologische Hypothese (PH): Die PH basiert auf der Annahme, dass UFO-Erfahrungen als parapsychologischen (PSI-) Phänomen gedeutet werden können, auch in Form jenseitiger Wesen. Hat auch spirituelle oder esoterische Ausprägungen. Im fotografischen Bereich werden hierzu die häufig auch zu sehen Orbs, die eigentlich als rein optisches, fotografisches Phänomen bekannt sind, als solche spirituellen Wesen interpretiert. In streng-religiösen Kreisen gelten UFOs vielfach als Manifestation des Bösen (dämonische Kräfte), die die Menschen verführen sollen. Bekannter Vertreter der PH ist der kanadische Soziologe Eric Ouellet.

Hypothesen, die fortgeschrittene (Geheim-)Technologie annehmen:

  • Zeitreise-Theorie (ZRH): Die Hypothese über Besucher aus unserer (eigenen) Zukunft, die Zeitreisetechnologie oder "Löcher im Raum-Zeit-Gefüge" benutzen, um u.a. in unsere Zeit zu reisen. Bekanntester Vertreter dieser Theorie war der frühere Autor Ernst Meckelburg.
  • Geheimtechnologien: Hierzu gibt es zwei Varianten. Zum Einen, dass das Militär außerirdische Technologie über Reverse Engineering für eigene Entwicklungen testet, zum Anderen, dass dies Weiterentwicklungen ehemaliger reichsdeutscher Geheimwaffen ("Flugkreisel", "Haunebu") seien. Als häufig genannte Geheimtechnologie im Zusammenhang mit Sichtungen dreieckiger Objekte werden TR-3B Flugkörper genannt, als mögliches Ergebnis von Reverse Engineering aus angeblich sichergestellter, außerirdischer Technologie aus Abstürzen. Insofern zeigt diese Hypothese eine Verbindung zur ETH auf.

Hypothesen, die ein anomales atmosphärisches bzw. physikalisches Phänomen annehmen:

  • Anomales atmosphärisches/Plasmaphänomen: Vorzugsweise luftgestützte Phänomene, als bspw. Leuchtphänomen in der Atmosphäre, auch als Ergebnis physikalischer Wechselwirkungen. Als Variante eines atmosphärischen Phänomens gilt ein anomales physikalisches bzw. Plasmaphänomen, verwandt mit dem Kugelblitzphänomen, das teilweise auch als Plasmaphänomen beschrieben wird. Das im Englischen als "Ball-Lightning" bezeichnete Phänomen entspricht dem Kugelblitzphänomen. Hat auch Überschneidungen mit  möglichen Erdlichterphänomenen.
  • Erdlichter-Phänomen: Erdlichter sind zuerst ein eigenständiges Gebiet, jenseits der Anomalistik. In der UFO-Forschung werden im Rahmen dieser Theorie zumindest einige Sichtungen als erdgebundenes, anomales Leuchtphänomen und ggf. Ausprägung des Erdlichtphänomens betrachtet, das zudem auch physikalische Wechselwirkungen mit der Umgebung aufweisen kann.
  • Tectonical Strain Theory (TST): Basierend auf dem Erdlichterphänomen wurde die TST formuliert. Darunter fallen mögliche geophysikalische Leuchterscheinungen, wie sie Michael Persinger in der TST formuliert. Als ein mögliches Beispiel für neuartige, anomale erd- oder luftgebundene Phänomene werden häufig die Hessdalen-Lichter bzw. "Hessdalen-Phänomene" genannt. Die TST selber sieht sich auch als Ansatz zur Erklärung von Psi-Phänomenen. Artikel zur TST auf PSICAN.

Nicht-anomalistische Hypothesen, die auf psychosoziale Faktoren und kulturelle Einflüsse verweisen:

  • Psychosoziale Hypothese (PSH): Die PSH geht von psychologischen und sozialen Implikationen aus, die für außergewöhnliche Berichten verantwortlich sind. Sie basiert auf der anerkannten Tatsache, dass die allermeisten Sichtungen (> 90%) mit herkömmlichen bzw. natürlichen Ursachen erklärt werden können und postuliert, dass auch die derzeit ungeklärten Sichtungen aufgrund bestimmter Umstände der Sichtung, Wahrnehmungsverzerrungen und nachfolgender Einflüsse bis zur Untersuchung letztlich herkömmliche Ursachen haben, die mit diesem Ansatz erklärt werden können. Die PSH beinhaltet häufig auch den Verweis auf das kulturelle Tracking und wird in Varianten auch als psychokulturelle Hypothese bezeichnet (PCH). Maßgeblicher Urheber der PSH war der belgische UFO-Forscher Jacques Scornaux. Im deutschen Sprachraum ist die PSH weniger bekannt, obwohl sie als derzeitiges Quasi-Paradigma der Mainstream-Wissenschaft gilt. Artikel in der englischen Wikipedia zur PSH, Artikel auf The NESS zur PCH.
  • Cultural Tracking (CT): Das kulturelle Tracking bezeichnet die Anpassung der UFO-Berichte und dessen Inhalt an das jeweilige kulturelle Umfeld.  bzw. zeitgenössischer Erwartungen und der jeweiligen Kenntnisse. Diese (historischen) Entwicklungen haben diverse Stereotype und Klischees hervorgebracht, die sich im Gedächtnis mit der Wahrnehmung vermischen können und demzufolge auch die Interpretation eigener UFO-Erfahrungen beeinflussen. Das heißt. dass sich die Beschreibungen außerirdischer Flugkörper an den jeweiligen Vorstellungen orientieren, was wir aktuell wissen oder uns wissenschaftlich-technisch vorstellen, stark beeinflusst von Medien und vor allem Fernsehserien und Kinofilmen aus dem Science Fiction-Genre. Als Beispiele werden gerne die früheren Begegnungen mit Außerirdischen aus den 1950er und 1960 genannt, die typische Elemente der damaligen Vorstellungswelt widerspiegeln und bspw. nichts beschreiben, was wir heutzutage kennen oder entwickeln, seien es Flachbildschirm, Touchpanels, neue Antriebstechnologien oder Einsatz von KI etc. Auch die Beschreibung der kleinen Grauen wurde maßgeblich durch Science Fiction-Filme beeinflusst. Das CT wird meist auch im Zusammenhang mit der PSH angeführt. Artikel zum CT in der englischen Wikipedia.
  • Composite and Reductionist Theory (CRT): Ein reduktionistischer Ansatz, der auch augenscheinlich ungeklärte Sichtungen auf eine Mischung verschiedenster alltäglicher Stimuli und kognitiver Mechanismen zurückführt, aufgrund derer im Ergebnis Schilderungen exotisch anmutender Phänomene entstehen können. Diese Hypothese geht davon aus, dass es aufgrund wahrnehmungspsychologischer und kognitiver Prozesse immer ungeklärte Sichtungen bzw. Erzählungen über solche Sichtungen geben wird und sich nie alle gemeldeten Sichtungen aufklären lassen. Auch soll demnach ein Untersucher nie in der Lage sein, alle denkbaren Erscheinungsweisen herkömmlicher Phänomene, geschweige denn psychologische Ursachen zu erkennen und auszuschließen. Auch hohe Strangeness-Faktoren in einem Bericht unterliegen demnach der subjektiven Interpretation ("Schein-Strangeness"). Exotische Hypothesen seien deshalb nicht zwingend erforderlich.
    Im Kern basieren die hier zuvor beschriebenen drei Theorien auf der These, dass UFOs und IFOs letztlich von derselben Natur sind und sich nur graduell unterscheiden und lediglich unterschiedlich wahrgenommen, beschrieben und interpretiert werden.

Diese Auflistung von Hypothesen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und zu einigen genannten Hypothesen gibt es auch weitere Varianten, an dieser Stelle soll dies auch nur einen weitgehend repräsentativen Abriss gängiger Hypothesen darstellen. Die anomalistischen Hypothesen gelten aktuell weitgehend als spekulativ, da sie sich auf fiktive Annahmen stützen, deren Wahrheitsgehalt derzeit unklar und nicht belegt ist. Auch lassen sich diese Hypothesen derzeit nicht nach wissenschaftlichen Standards (experimentell) überprüfen oder anhand von definierten Kriterien widerlegen (Falsifizierbarkeit).

Wie eingangs erwähnt, gehen manche Forscher auch von einer multiplen Hypothesenkonstruktion aus, also dass nicht nur eine Hypothese, sondern mehrere Hypothesen parallel für den Sichtungspool ungeklärter Sichtungen greifen. Dafür spricht die teils unterschiedliche Erscheinungsweise und Vielfalt der beobachteten und beschriebenen Phänomene. Skeptiker sehen in den unterschiedlichen Erscheinungsweisen auch eine Begründung für die Composite and Reductionist Theory.

 

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