UFO-Entführungen in den USA als pluridisziplinärer Forschungsgegenstand
Eine vieldiskutierte Frage in der UFO-Szene ist, inwieweit sich die etablierte Wissenschaft mit der UFO-Thematik auseinandersetzen müsste. Spekuliert wird dabei teilweise auch, ob das Thema bewusst unterdrückt wird oder sogar ein "wissenschaftliches Tabu" darstellt. In jedem Fall falsch ist die pauschale Behauptung, dass das UFO-Phänomen kein Gegenstand einer wissenschaftlichen Bearbeitung sei. Wie wir auf unserer Materialseite mit Artikel und Studien zum UFO-Phänomen ausgeführt haben, ist das Thema tatsächlich Gegenstand einer ganzen Reihe von akademischen und wissenschaftlichen (Diplom-)Arbeiten und Dissertationen. Ebenso gibt es praktische, hochschulgeführte Projekte, die sich bspw. mit dem Hessdalen-Phänomen befassen. Eine laufend fortgeführte Zusammenstellung des italienischen Forschers Paolo Toselli zählt aktuell über 350 internationale akademische Diplomarbeiten und Dissertationen. Darunter finden sich auch deutsche Arbeiten.
Diplomarbeiten und Dissertationen sind eher selten kostenfrei zugänglich. Umso mehr freuen wir uns, die 145 seitige Diplomarbeit des bekannten deutschen Autors und Fortianers Ulrich Magin hier erstmals im Original präsentieren zu können. Sie beschäftigt sich mit "soziologischen und sprachsoziologischen Aspekten des UFO-Phänomens in Amerika" mit dem Fokus auf UFO-Entführungen. In der Einleitung heißt es dazu: "Die Entführungserlebnisse weisen zahlreiche Parallelen zu Mythen, religiösen und mythischen Erfahrungen, sowie zu fiktiven Berichten in Film und Roman auf. All diese Ähnlichkeiten, und die Versuche, sie zu erklären, untersucht die vorliegende Arbeit." Schwerpunkt in der Betrachtung ist dabei "der Aspekt des Gebrauchs der Sprache" in den unterschiedlichsten Bereichen und seitens der beteiligten Personen. Auch wenn die Arbeit bereits aus dem Jahr 1989 stammt, ist sie nach wie vor aktuell, da sie bekannte Entführungsfälle, wie die des Ehepaares Hill, von Betty Andreasson, Whitley Strieber oder der Pascaguola-Entführung thematisiert, die auch heute noch diskutiert werden. Die jeweiligen Fälle hätte man evtl. noch ausführlicher darstellen können. Insbesondere die Darstellung der Andreasson-Entführung beruht nur auf Sekundärquellen und enthält Fehler. Ferner werden bekannte UFO-Forscher zitiert, die teils auch heute noch aktiv sind.
Auch inhaltlich ist die Arbeit nach wie vor aktuell, da sie aus Sicht kritischer Forscher entscheidende Aspekte hervorhebt und auch aktuelle Diskussionen widerspiegelt. So werden hinsichtlich des Phänomens verschiedene Erklärungsansätze diskutiert, und die Behandlung seitens der Gesellschaft aus unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt. Darunter auch seitens der Medien und privater Forschungsgruppen. Ein besonders interessantes Kapitel beschäftigt sich mit "UFOs und die Wissenschaft" und darin auch mit Paradigmen und dem Umgang mit Anomalien. Die Frage nach Anomalien im UFO-Phänomen ist auch in aktuellen Diskussionen ein zentraler Punkt. Magin zeigt in seiner Arbeit das Problem der Wissenschaft mit der Beschäftigung solcher Phänomene auf, insbesondere seitens der Naturwissenschaft, in der sich Anomalien als "unerklärliche Mess- und Laborergebnisse" darstellen, wohingegen beim UFO-Phänomen "nicht überprüfbare Augenzeugenberichte" vorlägen. Allerdings würden wir hier ergänzen, dass sich Augenzeugenberichte zu einem gewissen Teil durchaus überprüfen lassen und es, zumindest nach Ansicht mancher Ufologen, ungeklärte Messergebnisse in Form instrumenteller Aufzeichnungen gibt. Korrekt weist Magin auch darauf hin, dass es mangels einer gesicherten Annahme oder Kenntnis über die wahre Natur des Phänomens unklar ist, welche Disziplin genau für die Erforschung relevant sei. Demgegenüber stellt die Untersuchung soziologischer Aspekte des UFO-Phänomens "den Wissenschaftler nicht vor das Problem, sich für oder gegen die physikalische Realität der Ufos aussprechen zu müssen." Insofern "stellen Ufo-Sichtungen für die Sozialwissenschaften keine Anomalie dar."
Magin befasst sich auch mit "gläubigen" und "skeptischen" Wissenschaftlern und kritisiert einerseits, dass Wissenschaftler, die an die (physische) Realität von UFOs glauben, "häufig die scheinbar objektiven Aspekte des Ufo-Phänomens (z.B. Landespuren, Fotos und Filme) [betonen] und die psychologischen Implikationen der Beobachtungen [vernachlässigen].", und andererseits, dass skeptische Wissenschaftler, am Beispiel CSICOP, eine sehr ablehnende Haltung gegenüber solcher Themen einnehmen und Zeugen solcher Phänomene als Lügner, Hysteriker oder Scharlatane ansähen und gegen eine objektive Untersuchung ihrer Behauptungen sind. Entführungsberichte gingen ihrer Ansicht nach "entweder auf geistige Defekte oder Geltungssucht des Zeugen zurück." Eine Einstellung, die jedoch von anderen kritischen bzw. skeptischen Forschern, die hierzu eine differenziertere Betrachtung vornehmen, nicht geteilt wird.
Ein weiteres Kapitel befasst sich mit der "Sprache der UFO-Berichte", die sich auf verschiedenen Arten darstellt, "die der Zeugen, die der die Ereignisse untersuchenden Laien und Wissenschaftler und die der Medien, die über Ufos berichten. Alle benutzen und manipulieren Sprache auf ihre eigene Weise." Eine Kernaussage zu Zeugenberichten weist darauf hin, dass die eigene Interpretation oder Erwartung des Gesehenen die Wortwahl eines Zeugen maßgeblich beeinflusst, so dass das Erlebte nur unzulänglich wiedergegeben wird. Magin führt dazu die These eines französischen Volkskundlers an, der behauptet, dass "die Fremdartigkeit von Ufo-Erlebnissen (...) erst durch deren interpretierendes Nacherzählen (entstünde)". Seitens der UFO-Forscher wird auf problematische Fragestellungen hingewiesen, die auf Antworten hinführen, die die eigenen Erwartungen bestätigen würden. Dies sind auch aktuelle Punkte, mit denen sich insbesondere die kritisch motivierte UFO-Forschung im Zusammenhang mit methodischen Fragen in der Falluntersuchung auseinandersetzt.
Im letzten Kapitel thematisiert Magin schließlich mögliche mythische und religiöse Implikationen des Entführungsphänomens im Vergleich mit anderen, ähnlich gelagerten fortianischen Phänomenen, wie Berichten zu Marienerscheinungen, Seeungeheuern (Loch Ness) oder dem Schneemenschen (Yeti), die teils ähnliche Erzählstrukturen aufwiesen. In seinem Buch "Trolle, Yetis, Tatzelwürmer" (C.H. Beck 1993) geht Magin besonders und ausführlich darauf ein.
Auch wenn man manche Punkte, aus heutiger Sicht, etwas differenzierter oder ausführlicher betrachten kann, ist es alles in allem eine hervorzuhebende Arbeit, die sich auch leicht lesen lässt und angesichts zitierter, bekannter Fälle und Personen insbesondere szenekundigen Lesern schnell erschließt. Die dargestellten psychologischen und soziologischen Aspekte ermöglichen interessante Fragestellungen. Das von Ulrich Magin herausgegebene Buch "Von Ufos entführt" (C.H. Beck 1991) basiert in weiten Teilen auf diese Arbeit.
Hinweisen möchten wir noch darauf, dass jegliche Weiterverwendung der Arbeit, bzw. von Texten daraus, der vorherigen Zustimmung des Autors bedarf.
» Hier gibt es die Diplomarbeit im PDF-Format « (145 Seiten)
Alternativ können Sie die Arbeit auch hier online lesen: