Die UFO-Trümmer der TTSA

Außerirdisches "Metamaterial" oder industrielles Abfallprodukt und Schrott?

Am 25. Juli 2019 verkündete die für ihre UFO-Promotion bekannte "To the Stars Academy" (TTSA) um Tom DeLonge und Luis Elizondo den Erwerb sogenannten "Metamaterials" für ihr umstrittenes Forschungsprogramm ADAM. ADAM steht für "Acquisition and Data Analysis of Materials", also den Erwerb und die Datenanalyse von Material, wobei es hier um "exotisches Material" und dessen mögliche Nutzung für technologische Innovationen geht. Das nunmehr erworbene Metamaterial soll aus Überresten eines "fortschrittlichen Luftfahrzeugs unbekanner Herkunft" stammen, anhand dessen die TTSA mittels "streng wissenschaftlicher Auswertungen dessen Funktion und mögliche Anwendungen" bestimmen möchte.
Der Meldung zufolge entstammt "die Struktur und Zusammensetzung dieser Materialien (...) keiner bekannten militärischen oder kommerziellen Anwendung." In einigen Fällen sei "die für die Herstellung des Materials erforderliche Fertigungstechnologie erst jetzt verfügbar, das Material befindet sich jedoch seit Mitte der neunziger Jahre in dokumentiertem Besitz." Und: "Wir haben derzeit mehrere Materialproben, die von beauftragten Labors analysiert werden." Sofern sich die mit dem Material aufgestellten Behauptungen bestätigen, will man dies als Grundlage für einen Transfer hin zu militärischen und kommerziellen Einsatzmöglichkeiten nutzen.


Das von der TTSA zu ihrem Blogpost veröffentlichte Foto (Quelle: To The Stars Academy)

Hinsichtlich des "dokumentierten Besitzes" findet sich die Aussage bzgl. „unterschiedlichen Ebenen der Chain-of-Custody-Dokumentation“. "Chain-of-Custody" kann mit Nachweis-, Gewahrsams- oder Beweismittelkette übersetzt werden und ist u.a. ein Fachbegriff aus der Forensik. Die Beweismittelkette dokumentiert hier die Handhabung und Weitergabe von Beweisstücken über mehrere Stationen, vom Ursprung bis hin zur Einbringung in das abschließende Verfahren. Sie ermöglicht die Nachvollziehbarkeit und Prüfung der Authentizität und Integrität des Gegenstands. Sie ist somit ein wichtiger Bestandteil in der Beweisführung und setzt eine lückenlose Dokumentation voraus. Auch bzgl. der Navy-UFO-Videos wurde seitens der TTSA eine solche Chain-of-Custody-Dokumentation erwähnt, jedoch wurde bislang nichts dergleichen vorgelegt.

Bekommen hat die TTSA die Materialproben von der Ufologin und Buchautorin Linda Moulton Howe, die allerdings in der Szene nicht unumstritten und auch für wilde Behauptungen rund um das UFO-Thema samt Kornkreisen und anderen paranormalen Themen bekannt ist. Howe habe die Proben über eine längere Zeit aufbewahrt und auch selber untersucht. Weitere Angaben dazu enthält die TTSA-Mitteilung nicht, auch nicht bzgl. der Herkunft der Proben. Aufschlussreicher ist da ein Artikel auf RDN Online von Howe selber. Demnach bekam sie sechs Proben seltsamen Materials von Art Bell, ehemals Moderator der Radiosendung Dreamland auf Coast To Coast AM, die sich mit paranormalen Themen beschäftigte. Die Proben seien ein paar Zentimeter groß und weisen eine schwarz-silbrige Schichtung, eine eher silbrig-glänzende sowie eine eher dunkle, schwarze Seite auf. Laut einer energiedispersiven Spektroskopie besteht die silbrig-glänzende Seite vorwiegend aus Magnesium mit etwas Zink und die schwarze Seite aus Wismut, Magnesium und ebenfalls etwas Zink.

Von Interesse ist eine von Howe bei dem Wissenschaftler Nicholas A. Reiter, mit dem sie früher bereits gemeinsam bei UFO-Untersuchungen zusammenarbeitete, in Auftrag gegebene Untersuchung, über die UFO Watchdog berichtet. Mit dem Ergebnis dieser Untersuchung war Howe offenbar nicht einverstanden und widerspricht dem. Reiter konnte auch das Material replizieren, das Howe allerdings nicht akzeptierte, da es angeblich nicht zu 100% mit dem Originalmaterial übereinstimmen würde. Reiters Analyse von 1996 zufolge weisen die vorgelegten Proben nichts Ungewöhnliches auf:

"At the most basic of levels, we would freely state that the artifact portion (...) does NOT seem to be composed of elements or compounds which are unknown. Nor is it composed of alloys that appear to be of a purity or combination beyond the scope of current material science. The artifact bears a strong resemblance to irregular layered residue often found in large physical vapor deposition (PVD) coaters. This family of filming processes includes sputtering, E-beam, and resistively heated thermal evaporation; all common vacuum processes used widely in industry. The structure of the artifact very strongly suggests long term, high rate, disordered epitaxial growth on a cold surface (chilled evaporant shield? chamber walls?)."
Dieses Fazit ergänzte er 2001 noch folgendermaßen:
"The combination of bismuth and magnesium had eluded us for four years. But then one day, we found a reference to an obscure industrial process used in the refinement of lead. The process, called the Betterton-Krohl Process, uses molten magnesium floated over the surface of liquid lead. The magnesium sucks up, or pulls bismuth impurities out of the lead! Often, the magnesium is used over and over again…"

Zusammengefasst: Die Proben bestehen weder aus unbekanten Elementen oder Verbindungen, noch aus Legierungen, die über den aktuellen Stand der Materialwissenschaft hinausgehen. Ferner deutet das geschichtete Material auf Rückstände aus industriellen Fertigungsprozessen hin, bspw. bei der Veredelung von Blei nach einem bestimmten Verfahren, bei dem geschmolzenes Magnesium verwendet wird, das Wismutverunreinigungen aus dem Blei zieht. Bestätigt wird dies von Dr. Chris Cogswell gegenüber Motherboard:

I'd say that the chances of it being important scientifically are extremely slim. On top of that, it may not be much more than a piece of slag from an industrial process, for instance it has been suggested this may be from the Betterton-Kroll process.”

Reiter erwähnt auch die von Howe berichtete Eigenbewegung des Materials, wenn Hochspannung angelegt würde. Er erklärt dazu, dass sich fast jede Art von Metall bewegen würde, wenn genügend Spannung hindurch fließt.
Schon der einfache Augenschein der (ursprünglichen!) Fotos lässt die Vermutung eines industriellen Abfallprodukts als naheliegender erscheinen, denn als Teile der Außenhülle eines fremden Luftfahrzeugs zur Abschirmung gegenüber den behaupteten extremen Beschleunigungen in der Atmosphäre oder zur Manipulation von Raum und Zeit zur Fortbewegung, wie die TTSA spekuliert.

Wie erwähnt, bekam Howe die Proben von dem 2018 verstorbenen Radiomoderator Art Bell, der es wiederum am 10. April 1996 anonym mit mehreren Briefen zugeschickt bekam. Der anonyme Absender, Sergeant der US-Armee, erhielt die Proben wiederum von seinem Großvater, kurz vor seinem Tod 1974, als er ihm davon erstmalig erzählte. So sei er als Angehöriger der US-Armee bei dem Bergungsteam an der Roswell-Absturzstelle von 1947 dabei gewesen und habe damals Proben aus Teilen von UFO-Trümmern an der Absturzstelle an sich genommen und seitdem aufbewahrt. In seinen Briefen erwähnt der Absender auch, dass neben Leichen auch ein überlebender Insasse geborgen wurde, der telepathisch kommunizierte und mitteilte, dass er von einem größeren Schiff stammen würde, das an einem Dimensionstor zum irdischen Sonnensystem, 32 Lichtjahre von der Erde entfernt, stationiert wäre. Dies klingt insgesamt doch etwas wirr und bemüht wieder einmal den längst aufgeklärten Roswell-Mythos. Der Inhalt der Briefe lässt sich ebenso auf der Seite von Art Bell nachlesen. Die Seite ist zwar nicht mehr direkt online, aber über web.archive.org abrufbar.

Bell hat 1996 mit Howe darüber diskutiert und ebenso eine vorläufige Analyse durchgeführt, was lt. Robert Shaeffer von Bad UFOs aber neben Spekulationen nichts Spezifisches enthält und auch nicht wirklich viel aussagt.

Hinsichtlich der von TTSA verbreiteten Fotos dieser Metamaterialien besteht der Verdacht, dass dies tatsächlich öffentlich zugängliche Archivfotos ganz anderen Materials sind, wie bspw. Malachit, was weitere Fragen aufwirft. Konkret ersichtlich ist dies anhand eines Bildes, das auf deren Twitteraccount gepostet wurde und die Schichtstruktur zeigen soll, jedoch offenbar ein Ausschnitt eines auf shutterstock erhältlichen Malachit-Foto ist, wie auf Metabunk anschaulich gezeigt wird. Die von TTSA präsentierten Fotos ähneln von ihrer Art her insgesamt auch mehr Archiv- bzw. Symbolfotos. Normalerweise präsentiert man derartiges "Beweismaterial" in ganz anderer Form, mit Größenvergleich bzw. Maßangaben.


Vergleich eines von der TTSA geposteten Fotos mit einem Symbolbild von Malachit auf shutterstock
(Quelle: Metabunk)

Interessant ist auch, dass auf der Seite von Art Bell weitere und ganz unterschiedliche Metallteile gezeigt werden, wobei noch nicht endgültig klar ist, ob auch das der TTSA veräußert wurde oder was damit passiert ist. Eine vernünftige und professionelle Präsentation des Materials, wie man es eigentlich erwarten würde, gibt es seitens der TTSA bislang leider nicht. Dem Kaufvertrag zufolge ist auch "ein Stück Aluminium" unter den veräußerten Teilen. Auf Metabunk werden auch diese weiteren Metallteile ausführlich diskutiert und mit möglichen herkömmlichen Materialien und Teilen verglichen, die diesen ähneln. So weisen Teile daraus eine sehr auffällig starke Ähnlichkeit mit Lamellenplatten für einen Wärmetauscher für einen Kühler oder eine Klimaanlage auf. Auch bestehen kaum Ähnlichkeiten zwischen den TTSA-Fotos und den seitens Bell oder Howe geposteten Fotos.

Bereits im Oktober 2018 hat Elizondo in einer Präsentation bei der italienischen UFO-Gruppe CUN Fotos angeblich exotischen Materials gezeigt, die sich im Besitz der TTSA befinden sollen. Darunter erkennbar auch eine Foto eines der Artefakte von Art Bell. Insgesamt aber nicht wirklich viel aussagend.

Auf der Xcon 2004 hat Howe ihr Material präsentiert

Neben den starken Indizien für ein industrielles Abfallprodukt werfen die aktuell geposteten Fotos und die unklare Herkunft der Proben große Fragezeichen auf, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der von der TTSA selber erwähnten "Chain-of-Custody", also der Beweismittelkette, die hier schon am Ursprung scheitert. Auch wir fragen uns, warum man ein derartiges Tamtam mit solch fragwürdigen "Beweisen" aus anonymen Quellen und unbekannter Herkunft veranstaltet, mit denen sich kein seriöser Wissenschaftler ernsthaft befassen würde. Bleibt auch die Frage, warum der anonyme Eigentümer der Proben sich ausgerechnet an einen Moderator einer Radioshow zu Paranormalem gewandt hat, anstatt an eine wissenschaflliche Einrichtung, wie das vermutlich die meisten von uns machen würden (71% lt. einer Umfrage auf Twitter von Jack Brewer dazu).

Ufoofinterest hat über den Weg der Proben untenstehende Grafik entworfen, deren Beschreibung wir übersetzt haben.

Etwas seltsam ist allerdings der genaue Vorgang des Erwerbs der Proben, der offenbar über Tom DeLonge abgewickelt wurde, der es für 35.000 USD an die TTSA verkaufte, wie hier nachzulesen ist.

Quellen:
To The Stars Academy of Arts & Science makes groundbreaking Metamaterials Aqusition
TTSA's metamaterials acquisition - some details revealed
Piece of metal from Roswell crash high-tech material
Is Alleged UFO Crash Site all it's Cracked Up to be?
A Potential Solution to the Mystery of the "Alien" Metal Promoted by "To the Stars"
Preliminary Analyses of Art's Parts
Analysis of Metal Piece from Roswell
TTSA's Metamaterials
Some new information from the 27 October 2018, Centro Ufologico Nazionale talk by Luis Elizondo
The Source of "To The Stars" 'UFO Debris' Revealed - Art Bell!
Tom DeLonge's UFO Research Company Paid $35,000 for 'Exotic' Metals That Might Actually Just Be Slag
Identified: Art Bell's "UFO" Aluminum Louvered Sheets - Heat Exchanger Fins

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