Die US-amerikanische RAND Corporation ist eine gemeinnützige, unabhängige Forschungsorganisation, die eine Abteilung zum Thema nationale Sicherheit und das staatlich geförderte National Defense Research Institute unterhält. In dieser Eigenschaft unterstützt die RAND Corporation Regierungsstellen mit eigenen Forschungen und Analysen, die auch die UFO-Thematik umfassen. Kennern der Szene dürfte dazu das RAND-Dokument "UFOs: What to Do?" aus dem Jahr 1968 bekannt sein, das damals auch im Zuge der UFO-Programme der US Air Force zu UFOs entstand und mehrere Aspekte des Phänomens beleuchtete, die auch heute noch aktuell sind.
Vor Kurzem gab die RAND Corporation nun ein neues Dokument mit dem Titel "Not the X-Files" heraus, das sich mit der Analyse von UFO-Sichtungen über den USA beschäftigt. Hintergrund ist der Vorfall zum chinesischen Spionageballon und das daraus resultierende Interesse zu wissen, was über das eigene Staatsgebiet fliegt. Trotz eines mittlerweile installierten UAP-Büros und dem Bemühen, über Berichtslinien der Air Force entsprechende Sichtungsberichte zu bekommen, sieht man begrenzte Ressourcen zur Überwachung des eigenen Luftraums. Eine mögliche Abhilfe sieht die Analyse in der Verwendung privater bzw. öffentlicher Ressourcen hinsichtlich gemeldeter UFO-Sichtungen. Eine mögliche Grundlage ist hier das US-amerikanische National UFO Reporting Center (NUFORC), eine private Organisation, die UFO-Sichtungen der Allgemeinheit erfasst und auswertet, mit Schwerpunkt USA. Dazu können auf deren Seite eigene Sichtungen eingegeben werden. Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA verweist bei UFO-Sichtungen auch auf das NUFORC. In deren Datenbank befinden sich derzeit über 100.000 gemeldete Sichtungen, die auch Grundlage für die hier vorliegende Analyse waren. Die RAND Corporation sieht einen konkreten Nutzen für die Air Force durch die zusätzliche Nutzung von Open Source-Informationen, um darüber ggf. auch Hinweise auf potentielle (irdische) Bedrohungen zu erlangen, speziell durch den zunehmenden Drohneneinsatz, aber auch, um herkömmliche Objekte unter den Sichtungsberichten zu minimieren bzw. zu identifizieren. Ebenso kann man über Informationen seitens Amateur-Wetterbeobachtern und -Forschern erlangen, die eigene, private Forschungsballons starten, wie sie im Zuge des chinesischen Spionageballons ebenso beobachtet wurden: "Es ist möglich, dass Zivilisten mit Interesse an der Beobachtung und Untersuchung von Luft- und Raumfahrtphänomenen zur militärischen Lageerkennung beitragen können".
Im Klappentext zum Bericht heißt es:
Die US-Regierung ist für schätzungsweise 5,3 Millionen Quadratmeilen des inländischen und 24 Millionen Quadratmeilen des ozeanischen Luftraums verantwortlich. Der Abschuss eines chinesischen Überwachungsballons im Februar 2023, der das Land überflogen hatte, warf die Frage auf, inwieweit die US-Regierung weiß, wer was über ihrem Hoheitsgebiet fliegt. Die Vereinigten Staaten verfügen nur über begrenzte Mittel zur Überwachung von Objekten, die ihren Luftraum durchfliegen. Gleichzeitig ermöglicht der technologische Fortschritt der Öffentlichkeit, privaten Unternehmen und zivilen Regierungsbehörden den Betrieb immer kleinerer, kommerziell erhältlicher Drohnen, die absichtlich oder unabsichtlich Aktivitäten am Himmel erfassen und dazu beitragen. Dieser Trend könnte dazu führen, dass öffentliche Berichte über unidentifizierte Luftverkehrsphänomene (UAPs) zu einer wichtigen Informationsquelle für US-Regierungsbeamte werden.
Ein wichtiger Punkt, der bei solchen Auswertungen von Sichtungsberichten allgemein zu beachten ist, ist der, dass sich daraus keine Schlüsse über das Auftreten oder Verhalten eines möglicherweise anomalen Restphänomens ziehen lassen, da sich darunter immer auch die über 90% identifizierbaren Sichtungen - oder solche mit mangelhaften oder unzuverlässigen Daten - befinden. Dies betont auch der vorliegende Bericht, nicht nur über den Titel selber (keine X-Akten) sondern auch in der Einführung: "Unsere Analysen dieser Daten sind nicht als Bestätigung einzelner Meldungen an die NUFORC oder der Genauigkeit der Datenbank zu verstehen". Ferner wird auch auf diverse Einschränkungen verwiesen, wie dass nur begrenzte Informationen darüber vorlagen, wie NUFORC Daten sammelt und bewertet, oder dass mehrere Sichtungen sich auch auf ein und dasselbe Objekt beziehen können.
Insgesamt wurden 101.151 abgegebene, öffentliche Berichte aus der NUFORC-Datenbank für die Jahre 1998 bis 2022 geografisch auf 12.783 seitens der US Zensusbehörde demographisch erfassten und definierten Gebieten ausgewertet. Hierzu wurden die jährlichen Sichtungsmeldungen auf statistisch signifikante, jährliche Häufungen untersucht und es konnten 751 Cluster für den gesamten Zeitraum identifiziert werden. Die Anzahl der Cluster pro Jahr folgt dabei im Wesentlichen dem Trend der Anzahl jährlicher Sichtungsmeldungen (s. nachfolgende Abb.).
Die Cluster wurden dann hinsichtlich ihrer räumlichen Lage zu diversen Orientierungspunkten analysiert. Dies waren Militäreinrichtungen und militärische Einsatzgebiete, zivile Flughäfen sowie Wetterstationen, um mögliche Zusammenhänge mit militärischen Aktivitäten, zivilen Luftverkehr und dem Start von Wetterballons zu identifizieren. Dazu wurden die UAP-Sichtungen entfernungsabhängig zu diesen Einrichtungen ausgewertet (bis 30 km, 60 km, 120 km, 240 km und darüber).
Für die Analyse wurden zwei Forschungsfragen formuliert:
1. Wo melden die Menschen in den Vereinigten Staaten am wahrscheinlichsten Sichtungen von UAPs?
2. Welche Faktoren sagen voraus, wo die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen UAP-Sichtungen melden, größer oder kleiner ist?
Geografisch gesehen finden sich Häufungen von UAP-Sichtungen über nahezu dem gesamten Gebiet der USA, mit einer gewissen Auffälligkeit im äußersten Nordwesten (Staaten Washington und Oregon) und auch über den östlichen Landesteilen und entlang der Ostküste. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Lage der Cluster nach unterschiedlichen Radien.
Die weitere Analyse erbrachte vielfach inkonsistente Ergebnisse hinsichtlich der Häufung bzw. Wahrscheinlichkeit von UAP-Sichtungen entfernungsabhängig von den festgelegten Orientierungspunkten. So war bspw. die Wahrscheinlichkeit für UAP-Sichtungen um Militäreinrichtungen im Umkreis von 60 - 120 km oder sogar 120 - 240 km um Militäreinrichtungen meist höher als zwischen 30 und 60 km. Dasselbe Bild zeigte sich bei Wetterstationen bei gemeldeten Ballonstarts sowie bei zivilen Flughäfen. Anders ausgedrückt, im näheren Umfeld bis 60 km um militärische und zivile Einrichtungen herum werden tendenziell weniger Sichtungen gemeldet, als weiter entfernt, was lt. Bericht mit einer gewissen Kenntnis der jeweiligen Objekte erklärt werden könnte. Relativ konsistent dagegen waren UAP-Sichtungsmeldungen um militärische Einsatzbereiche, die größere Flächen umfassen und wo innerhalb von 30 km die meisten Sichtungen stattfanden. Hierzu sieht man diverse militärische Aktivitäten über diesen Gebieten als eine mögliche Ursache für die Sichtungen.
Die nachfolgenden beiden Grafiken zeigen die geografischen Analysen des Berichts, bezogen auf militärische Einrichtungen und Einsatzbereiche (MOAs) sowie bezogen auf zivile Flughäfen und Wetterstationen. Die detaillierte tabellarische Auswertung der Sichtungen nach Entfernung zu den Referenzobjekten befindet sich im Bericht auf den Seiten 14 und 15 (s. u.).
Der Bericht fasst die wichtigsten Ergebnisse so zusammen:
- Eine Überprüfung von 101.151 öffentlichen Berichten über UAP-Sichtungen in den Vereinigten Staaten von 1998 bis 2022 ergab eine uneinheitliche Beziehung zwischen den nächstgelegenen Militär- und Wettereinrichtungen und den Selbstberichten über UAP-Sichtungen.
- Die zur Durchführung der Analyse verwendeten Modelle zeigten, dass Meldungen von UAP-Sichtungen in einem Umkreis von 30 km um Wetterstationen, in einem Umkreis von 60 km um zivile Flughäfen und in dichter besiedelten Gebieten weniger wahrscheinlich waren, während ländliche Gebiete tendenziell eine höhere Rate an UAP-Meldungen aufwiesen.
- Das konsistenteste und statistisch signifikanteste Ergebnis war, dass Meldungen von UAP-Sichtungen eher in Gebieten innerhalb von 30 km von militärischen Einsatzgebieten auftraten, in denen routinemäßige militärische Übungen stattfinden.
Aus diesen Ergebnissen werden drei Empfehlungen formuliert, die so zusammengefasst werden:
- Die Regierungsbehörden sollten die Zivilbevölkerung in der Nähe von Militäroperationsgebieten aufklären. Viele Zivilisten sind sich möglicherweise nicht bewusst, dass sie sich in der Nähe von Gebieten befinden, in denen militärische Operationen stattfinden. Wenn die Ergebnisse der Analyse korrekt sind - d. h. wenn ein Standort innerhalb von 30 km von militärischen Einsatzgebieten signifikant mit Meldungen von UAPs verbunden ist und wenn einige dieser gemeldeten Objekte zugelassene Flugzeuge sind - dann könnte die Mitteilung, dass solche Aktivitäten in der Nähe durchgeführt werden, die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die Öffentlichkeit diese Flugzeuge als UAPs meldet.
- Die Regierungsbehörden sollten zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die Zivilbevölkerung zu informieren, wenn in der Nähe eines militärischen Einsatzgebietes Luftraumaktivitäten stattfinden. Nach Angaben der FAA werden nicht alle militärischen Einsatzgebiete von zugelassenen Flugzeugen genutzt. Gegebenenfalls könnte die Benachrichtigung der örtlichen Bevölkerung über Aktivitäten in militärischen Einsatzgebieten die Zahl der gemeldeten UAPs, bei denen es sich in Wirklichkeit um genehmigte Luftfahrzeuge handelt, verringern.
- Es sollte eine Bewertung durchgeführt werden, um ein detailliertes und robustes System für die öffentliche Meldung von UAP-Sichtungen zu entwickeln. Eine solche Bewertung würde Aufschluss geben über den Einsatz verschiedener Technologien, die Berichterstattung über Standorttypen, Sichtungsmerkmale, Kriterien für die Validierung dieser Meldungen und darüber, wer am besten in der Lage ist, ein solches Meldesystem unabhängig zu verwalten. Ein solches System wäre nützlich, um Falschmeldungen und Berichte über falsch identifizierte Objekte zu minimieren.
Der Bericht schließt mit der Anmerkung:
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die US-Regierung einen großen Teil des Luftraums überwachen muss, und das in einer Zeit, in der der Zugang zu kleinen, technologisch fortschrittlichen und preiswerten Flugobjekten größer denn je ist. Wenn die Behörden der Meinung sind, dass öffentliche Meldungen ein wertvolles Instrument für die Verwaltung des US-Luftraums sein könnten, muss sichergestellt werden, dass die Öffentlichkeit tatsächliche Bedrohungen meldet. Eine größere Transparenz bei der Erfassung, Untersuchung und Verwendung von Sichtungen könnte auch dazu beitragen, die Verschwörungstheorien zu entkräften, die sich seit langem um Luftphänomene ranken.
Der Bericht verfolgt, neben der Frage, wo am ehesten mit Sichtungsmeldungen zu rechnen ist, letztlich zwei Ziele: Einerseits die Aufklärung der Bevölkerung über bzw. ein Bewusstsein für herkömmliche Stimuli zu schaffen, um die Anzahl identifizierbarer UFO-Sichtungen zu reduzieren, um andererseits zivile Beobachtungen sicherheitsrelevanter Ereignisse und Aktivitäten zu erhalten, die tatsächlich für Behörden von Interesse sein könnten, in welcher Hinsicht auch immer. Inwieweit das realistisch ist, muss sich zeigen. Die praktische UFO-Forschung zeigt, dass immer wieder ganz unterschiedliche Ursachen für UFO-Sichtungen auftreten, wie in den vergangenen Jahren bspw. die Starlink-Satelliten, die mit einem erheblichen Anstieg der Sichtungsmeldungen einher gingen. Auch astronomische Stimuli, wie helle Sterne und Planeten sorgen regelmäßig für UFO-Meldungen, obwohl zu beiden auch immer wieder versucht wird, über Pressemitteilungen aufzuklären. Hinzu kommen psychologische Mechanismen, die dazu führen können, dass Menschen plötzlich vermehrt in den Himmel schauen und Beobachtungen melden. Die Palette an Verursachern für UFO-Sichtungsmeldungen ist letztlich auch sehr breit und verändert sich beständig, so dass eine gewollte Verringerung an Meldungen, basierend auf "alltäglichen" Objekten und Phänomenen, schwer zu erreichen sein wird.
Eine komplette Übersetzung des Berichts in Deutsch kann hier gelesen werden. Dabei handelt es sich um eine automatisch erzeugte, nicht nachkorrigierte Übersetzung, die naturgemäß einzelne Übersetzungsmängel aufweist, hier aber für das grundsätzliche Verständnis ausreicht (Credit: Josef Garcia). Der Originalbericht in Englisch kann auf der RAND-Webseite heruntergeladen werden.