Diesen Mittwoch, den 13.11., fand ein weiteres UAP-Hearing im US-Kongress statt, das den verheißungsvollen Titel trug: „Unidentifizierte anomale Phänomene: Die Enthüllung der Wahrheit“. Spoiler: Enthüllt wurde leider nichts. Abgesehen von vielleicht manchen UFO-Fans wurde aber auch nicht wirklich essenziell Neues erwartet. Auch in unseren Kollegenkreisen war die Erwartungshaltung niedrig. Das lag nicht zuletzt auch an den geladenen vier Zeugen, die in der UFO-Szene keine Unbekannten sind und, mehr oder weniger, alle mit dem Dunstkreis der Skinwalker-Ranch-Gruppe eine Verbindung haben, die seit Jahren das Thema vor sich her treibt. Das gilt auch für Mike Gold als Mitglied des NASA UAP Independent Study Teams, das durchaus solide Arbeit leistete und einen lesenswerten Bericht ablieferte, obwohl er sich dabei noch am Zurückhaltendsten äußerte. Die anderen drei Personen, Tim Gallaudet, Luis Elizondo und Michael Shellenberger, sind weithin bekannt und in den vergangenen Jahren durch spektakulär klingende Behauptungen aufgetreten. Der Autor und Forscher Jason Colavito hat im Vorfeld der Anhörung auf seinem Blog die Protagonisten auch kurz vorgestellt.
Einen riesen Hype hat das live gestreamte Hearing allerdings nicht ausgelöst, bei gerade mal schwankend 35.000 bis 38.000 Zuschauern, zumindest auf YouTube. Auch der Saal war nicht prall gefüllt, dafür konnte man übliche Verdächtige auf den Besucherreihen erkennen, darunter Jeremy Corbell und David Grusch, der vergangenes Jahr in einem Hearing aussagte. Bei der Anhörung gab es keine dramatischen Enthüllungen, schon gar nicht über Außerirdische, aber dafür gab es Zeugen, die recht wenig oder gar nichts aus erster Hand wissen, aber dafür viele Geschichten aus zweiter Hand, und dass sie über geheime Dinge, die sie angeblich wissen, nicht öffentlich sprechen dürfen, aber dafür in geschlossenen Sitzungen. Quasi ein Deja-vu zur Anhörung mit David Grusch. Und es wurde ein neues „Whistleblower“-Dokument über das so genannte Immaculate Constellation-Programm enthüllt, aber es war noch weniger beeindruckend als die Aussage von David Grusch im letzten Jahr.
Alle Dokumente aus der Anhörung, inkl. der verschriftlichten Statements, bekommt man auch auf The Black Vault von John Greenewald.
Blick in den Sitzungssaal der Anhörung
Die vier Zeugen bei der Vereidigung. Von links: Tim Gallaudet, Luis Elizondo, Michael Shellenberger, Mike Gold.
Den Anfang machte Tim Gallaudet, ehemaliger Marineadmiral. Gallaudet gibt zu, keine direkte Erfahrung mit UFO-Sichtungen zu haben, behauptet aber, durch E-Mails darüber beunruhigt geworden zu sein. Gallaudet erwähnte, dass er an einer Marineübung vor der US-Ostküste teilgenommen hat, die in dem berühmten „Go Fast“-Video gipfelte, in dem die Sensoren eines F/A-18-Jets der Marine „ein unbekanntes Objekt aufzeichneten, das unvergleichliche Flug- und Struktureigenschaften aufwies“, als alles andere, was die USA verfügbar hätten. Er gehörte zu einer Gruppe von an der Übung beteiligten Kommandanten, die eine E-Mail mit dem Video erhielten, das vom Operationsoffizier des Fleet Forces Command gesendet worden war, die kurze Zeit später aber bei allen Empfängern verschwunden war. Offenkundig ablehnend kommentierte er den Erklärungsansatz zum Go-Fast-Video, dass es nur ein Ballon gewesen sein könnte, und dass es ja noch viele weitere Videos gäbe, die was auch immer zeigen sollen. Hört man auch regelmäßig, dass wenn offiziell bekannt gegebenes Bildmaterial nicht das zeigt, was behauptet oder von Zeugen beschrieben wird, dass es ja noch weiteres Material gäbe, das das zeigen würde, das aber warum auch immer aktuell nicht vorgelegt werden kann oder darf. Er hatte es auch mit Unterwasserobjekten, aka USOs, wobei er auf irgendeine Sonar-Anomalie aus den 1980ern verwies.
Auch hat Gallaudet offensichtlich seine Abfuhr seitens der AARO noch nicht verkraftet, als Sean Kirkpatrick als damaliger Leiter seine Einstellung kritisierte und er deshalb ungeeignet wäre, wie u.a. auch Steven Greenstreet auf X ihn zitierte: „Herr Gallaudet ist offensichtlich immer noch verbittert, dass ich ihn nicht bei AARO eingestellt habe, als er auf Jobsuche kam. Seine Neigung zu Verschwörungen ohne Beweise machte ihn ungeeignet für einen Job, der Objektivität und evidenzbasierte Vernunft erforderte. Ich habe meine Entscheidung mit einigen seiner früheren Chefs und Kollegen abgesprochen.“
Gallaudet beschwerte sich darüber, dass AARO ihn gebeten hatte, alternative Erklärungen für UFOs jenseits von außerirdischen Wesen in Betracht zu ziehen. Das war natürlich ein Beweis für eine Vertuschung, da prosaische Erklärungen in seiner eher paranormalen Denkweise ipso facto unwahr sind.
Dann war Luis Elizondo an der Reihe, der erst kürzlich die Spiegelung einer Deckenleuchte in einem Fenster als UFO-Mutterschiff ausgab, und heute behauptete, er könne, oder besser dürfe, in öffentlicher Sitzung nichts Konkretes sagen und habe ein Dokument unterzeichnet, das ihn daran hindert, über die angeblichen Absturzfunde zu sprechen, über die er in seinem Buch schreibt. Elizondo wiederholte die zahlreichen Behauptungen in seinem Buch unter Eid nicht, auch nicht, als er zu demselben Material befragt wurde. Er bejahte Fragen, ob es geheime Bergungsprogramme abgestürzter UAP und dessen Re-Engineering gäbe, wich spezifischen Fragen über Außerirdische und den geheimen UAP-Bergungsprogrammen aber aus und weigerte sich, direkt zu sagen, dass die USA außerirdische Körper besitzen, er aber in einer geschlossenen Sitzung dazu sprechen würde ("I can tell you more in a closed session"). Dafür beschrieb er auf Nachfragen die Situation und den Raum, als er seine Geheimhaltungsvereinbarung unterschrieb.
Er gab ferner an, dass fortschrittliche Technologien sensible Militäranlagen auf der ganzen Welt überwachen würden. Dabei erwähnte er auch die kursierenden Behauptungen rund um UFOs in der Nähe von Nuklearanlagen und Abschussbasen. Und die USA seien, ebenso wie andere Mächte, im Besitz geheimer UAP-Technologien, welche immer das sein sollen. Gefragt, wer diese Technologien hergestellt habe, private Unternehmen oder eine nicht-menschliche Intelligenz, meinte er, es könne beides sein.
Auf die Frage, ob wir mit Außerirdischen kommunizieren würden, sinnierte er erst mal über die Frage, wie man Kommunikation definieren könne oder man darunter verstehen kann. Letztlich gab er an, ja, aber nur so wie Piloten mit anderen Piloten kommunizieren, indem sie in ihrer Nähe fliegen. Also eher nein. Auch spekulierte er darüber, dass UAP Kräfte von mehreren tausend G erreicht hätten.
Mike Shellenberger ist ein Journalist, dessen UFO-Berichterstattung wenig kritische Analyse erkennen lässt und eher einem oberflächlichem Sammelsurium gleicht. Seine Aussage bezog sich auf einen langen Zeitraum an UAP-Berichten von 1947 bis 2023. Er hat gewagte Behauptungen über Außerirdische aufgestellt, die er nie mit Belegen untermauert hat. Er forderte die Verabschiedung von UAP-Transparenzgesetzen und die Kürzung der Mittel für alle damit verbundenen Programme, die dem Gesetzgeber nicht offengelegt werden. Er möchte damit ein Ende der Geheimhaltung durch die Regierung fordern, obwohl er die Frage zu ignorieren schieint, warum geheime Regierungstechnologie und anderes der Öffentlichkeit und auch möglichen Gegnern offenbart werden solle und manches auch zu Recht geheim ist.
Selbst wenn man es für bare Münze nimmt, ist sein neues Whistleblower-Dokument, das recht hochtrabend als „Immaculate Constellation Document“ bezeichnet wird und sich auf eine noch aktive Geheimdienstoperation beziehen soll, eher unbedeutend. Ein Bericht aus zweiter Hand von einer anonymen Quelle, die behauptet, weitere Dokumente gesehen zu haben (wem kommt das noch bekannt vor?). Dem Dokument zufolge wurde das Programm angeblich 2018 ins Leben gerufen, also nach der UFO-Story der New York Times von 2017. Er sammelte offenbar ähnliche Aufzeichnungen wie AARO oder die UAP Task Force und es ist von geringer Bedeutung, da er keine physischen Belege für Außerirdische hatte. Der anonyme „Whistleblower“ interpretiert offensichtlich bekannte paranormale Forschungen falsch, indem er behauptet, dass frühere Programme wie das Projekt Stargate (an dem Elizondo und Hal Puthoff beteiligt waren) und Geheimdienstakten über sowjetische und chinesische paranormale Forschungen mit dem anhaltenden Glauben an eine paranormale Realität, einschließlich Außerirdischer, zusammenhängen, wie Colavito in einem weiteren Beitrag kommentiert. In
Erste Seite des 11-seitigen "Immaculate Constellation"-Dokuments. Eigentlich 12 Seiten, die letzte ist aber leer
Per Mail bekam der Autor D. Dean Johnson eine Antwort von Sean Kirkpatrick auf die Nachfrage bzgl. der angeblichen Prüfung und Freigabe des Immaculate Constellation-Dokuments seitens des State-Departments, in der Kirkpatrick einige Merkwürdigkeiten dazu erwähnte. So müsste das Dokument im Falle einer offiziellen Freigabe einen Stempel tragen, was nicht der Fall ist. Auch prüft das Außenministerium keine Inhalte, wie behauptet. Er bezweifelt auch, dass es einen Zugang zu den angegebenen Abschriften des DoD gegeben habe, da es dazu gesetzliche Pflichten gibt. Insofern offensichtlich kein offizielles Dokument, sondern eine private Zusammenstellung.
Antwort des früheren AARO-Direktiors Sean Kirkpatrick auf die Nachfrage zum Immaculate Constellation-Dokument
Shellenberger erwähnte, dass das geheime Programm hochwertige Bilder und andere hochentwickelte Tools verwenden würde, um Daten über UAPs zu erfassen. Er zitierte aus dem Bericht und sagte, dass ein F-22-Flugzeug während einer Patrouille an einem unbenannten Ort und zu einem unbenannten Datum auf mehrere Orbitalobjekte gestoßen sei: „Die F-22 brach aus der Flugbahn aus und versuchte auszuweichen, wurde aber von etwa drei bis sechs UAPs abgefangen und eingekesselt“. Ebenso enthält das Dokument Beschreibungen einiger interessant klingender Videos. Wenn es diese Videos gibt, sollte AARO so viele dieser Videos wie möglich veröffentlichen und ihre Analysen mitteilen, damit wir schnellstmöglich Klarheit bekommen. Immerhin möchte man Shellenberger zustimmen, als er die teils übermäßig erscheinenden Schwärzungen auf freigegebenen Dokumenten kritisierte.
Shellenberger bei seiner durchaus berechtigten Kritik an den teils übermäßigen Schwärzungen freigegebener Dokumente.
Mike Gold, Mitglied des NASA UAP Independent Study Team und mit langjähriger, früherer Zusammenarbeit mit Robert Bigelow und dessen Unternehmen, hielt sich insgesamt eher zurück und verwies auf Aktivitäten der NASA und forderte mehr Mittel für die Entwicklung von Instrumenten zur Untersuchung von UAP-Anomalien. Dazu enthält der aktuelle UAP-Bericht der AARO einen Entwurf des Gremlin-Systems zur UAP-Detektion. Ebenso betonte er die Notwendigkeit, das Stigma zu überwinden und den wissenschaftlichen Dialog und offene Diskussionen über das Phänomen zu fördern. Er äußerte, dass eine Mehrzahl der gemeldeten Sichtungen auf verschiedene herkömmliche Ursachen beruhen würde, aber es einen Prozentsatz gibt, der das nicht tut. Und er zitierte den Akte X-Slogan: „The truth is out there“.
Die Befragung wurde von mehreren Abgeordneten durchgeführt, darunter Glenn Grothman, der einleitend die Behauptungen von David Grusch im vergangenen Jahr erwähnte, und dass er mehrere Gespräche mit Bundesbehörden geführt habe, aber keine der Behörden die Behauptungen bestätigen oder belegen konnte. Fun Facts am Rande: Grothman sprach über den TicTac-Vorfall als „TikTok Incident“, wobei er aber in guter Gesellschaft ist. Ferner verlor sich die Abgeordnete Luna in ihrer Befragung in eigenen Spekulationen über interdimensionale oder lebendige Flugobjekte und die Vorsitzende der Anhörung, Nancy Mace, vertreibt T-Shirts mit „Nancy Mace“-Untertasse („Maceship Logo Tee“).
Danach gefragt, was ihrer Meinung nach UAP seien, antworteten:
Gallaudet: Starke Beweise, dass sie nicht menschlich sind.
Elizondo: Was er gesagt hat.
Shellenberger: Ich weiß es nicht.
Gold: Ich weiß es nicht, man muss es herausfinden.
Ansonsten verdeutlicht dieser Ausschnitt die Essenz in Kürze („I don’t know“):
Und was bleibt unter dem Strich? Nicht viel, möchte man meinen, auch wenn manch Andere das vielleicht anders sehen. Aber wenn es unter dem Strich um überprüfbare Behauptungen geht und um im wissenschaftlichen Sinne verwertbare Fakten, dann war das eben recht dünn. Und wir fragen uns, ob man mit solchen Veranstaltungen der ernsthaft angelegten UFO/UAP-Forschung einen Gefallen tut oder sie weiter bringt. Nur, dass wir uns nicht falsch verstehen, ich weiß auch nicht, ob in den USA oder sonst wo in irgendeinem Keller außerirdische Leichen oder abgestürzte außerirdische Objekte rumliegen. Vielleicht ja, vielleicht nein. Faktisch deutet derzeit zumindest nichts Valides und Belastbares darauf hin. Selbst wenn es so wäre, lässt sich daraus aus wissenschaftlicher Sicht für die öffentliche Forschung nichts schließen oder Konkretes ableiten, solange das nicht allgemein der Forschung zugänglich ist. Deshalb ist auch für die meisten Wissenschaftler das ganze Disclosure-Thema nicht relevant für die eigene Forschung, solange nichts dazu vorgelegt wird. Das hat auch nichts mit der häufig bemühten Aufgeschlossenheit ("open minded") zu tun, die meist falsch verwendet wird und nichts mit Glauben an unbelegten Behauptungen zu tun hat. Zumal es natürlich auch umgekehrt gilt, also auch aufgeschlossen zu sein, dass die aufgestellten Behauptungen nicht in der Form zutreffend sind. Ob sich die Behandlung des Themas unter der neuen Trump-Regierung ändern wird, scheint fraglich, nach den abzusehenden Personalien mit teils verschwörungsideologisch und wissenschaftsfeindlich angehauchten Personen.
Dass Dinge geheim gehalten werden, ist unstrittig. Insofern wird die Diskussion und Spekulation darum auch nie enden. Ganz aktuell hat, lt. The Black Vault, die US Navy abgelehnt, 78 Dokumente mit Inhalten zu UAP frei zu geben, darunter auch Fotos zu UAP. So weigern sich Behörden und Militär, Dokumente und Bildmaterial herauszugeben, um Quellen und Methoden nicht zu offenbaren, und Zeugen von Anhörungen weigern sich, ihre Behauptungen zu konkretisieren, weil sie Geheimhaltungsvereinbarungen geschlossen haben und „ihre Quellen schützen“ wollen. Aber trotzdem steht die Offenlegung unmittelbar bevor, "Disclosure is imminent", wie es gerne heißt. Natürlich würden auch wir und unsere Kollegen gerne den Inhalt der Dokumente sehen und evtl. erreicht Greenewald von The Black Vault hier noch die eine und andere Herausgabe.
Dafür gab's aktuell den neuen AARO UAP-Bericht, der mehr greifbare Inhalte bietet und dem wir uns aktuell auch widmen. Dazu soll es am 19. November ein öffentliches und geschlossenes Meeting im US-Kongress geben.
» Die Aufzeichnung der Anhörung kann auf YouTube angesehen werden: https://www.youtube.com/watch?v=kT2iWKZr0qA «
Quellen:
Colavito, J. (2024, 8. November). Congressional Hearing to Feature Lue Elizondo and Other UFO Kooks. Jason Colavito. https://www.jasoncolavito.com/blog/congressional-hearing-to-feature-lue-elizondo-and-other-ufo-kooks
Colavito, J. (2024, 13. November). Boring UFO Hearing Featured UFO Advocates Saying Nothing of Substance. Jason Colavito. https://www.jasoncolavito.com/blog/boring-ufo-hearing-featured-ufo-advocates-saying-nothing-of-substance
GOP Oversight (2024, 134. November). Unidentified Anomalous Phenomena: Exposing the Truth [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=kT2iWKZr0qAGreenewald, J. (2024, 12. November). "Unidentified Anomalous Phenomena: Exposing the Truth" Hearing – November 13, 2024. The Black Vault. https://www.theblackvault.com/documentarchive/unidentified-anomalous-phenomena-exposing-the-truth-hearing-november-13-2024/Greenstreet, S. [@MiddleOfMayhem]. (2024, 12. November). Sean Kirkpatrick has strongly responded to the Congressional UFO testimony of Tim Gallaudet [Tweet]. X. https://x.com/MiddleOfMayhem/status/1856413684798763385
Johnson, D. Dean [@ddeanjohnson]. (2024, 14. November). "IMMACULATE CONSTELLATION" [Tweet]. X. https://x.com/ddeanjohnson/status/1857171782689530049